Die Corona-Tagebücher #12: Was heißt hier sofort? (2)

Mitte März beschloss das Ministerium für Kultur und Wissenschaft in NRW ein Sonderförderprogramm in Höhe von insgesamt fünf Millionen Euro, um Künstlern durch die Corona-Krise zu helfen. Versprochen wurde eine schnelle unbürokratische Hilfe und existenzsichernde Einmalzahlungen bis maximal 2.000 Euro. Für den Düsseldorfer Fotografen Josef Schulz kam dieses Soforthilfeprogramm allerdings nicht in Frage, stattdessen hat er die Soforthilfen für Soloselbständige beantragt. theycallitkleinparis hat mit ihm darüber gesprochen.

Josef, du bist freischaffender Künstler. Kannst du kurz umreißen, wie deine künstlerische Arbeit aussieht?
Ich arbeite im Bereich Fotografie und Video.

Wie haben sich deine Einnahmen seit Beginn der Corona-Krise entwickelt? Was für Jobs und Aufträge, die eigentlich geplant waren, sind dir weggebrochen?
Als direkte Folge der Corona-Krise wurde eine Gruppenausstellung in der Michael Horbach Stiftung in Köln abgesagt und eine weitere Ausstellung in den Herbst verschoben. Meine Tätigkeit ist jährlich zyklisch, normalerweise beginnt sie für mich jedes Jahr mit der Phase, in der ich neues Material für bestehende oder neue Projekte sammle. Dieses Material ist für mich essentiell, denn es ermöglicht erst die Arbeiten, die im nächsten Jahr fertig werden. Aktuell ist an Sammlung von Material nicht zu denken, da es bei mir häufig mit Reisen verbunden ist. Ich habe Ende Februar auf eine Fotoreise nach Israel verzichtet. Die durch die Absage entstandenen Kosten sind weitestgehend nicht erstattungsfähig, da ich die Entscheidung, nicht zu fahren, vor dem Shutdown getroffen habe. Weitere große Projekte werde ich dieses Jahr nicht angehen, da die meisten Ideen auch mit Mobilität verbunden sind. Weil mir also neues Rohmaterial fehlt, konzentriere ich mich verstärkt auf bereits begonnene, unvollendete Projekte. Die ökonomischen Auswirkungen sind bei mir noch nicht absehbar, aber ich gehe von einer ausgeprägten Zurückhaltung der Sammler aus. Die Fotoaufträge, die ich jenseits meiner künstlerischen Arbeit übernehme, werden sicher auch weniger werden. Meine beiden Galerien in Köln und im chinesischen Chengdu haben ihre Veranstaltungen weitgehend zurückgestellt und die Ausstellungen, auch mit meiner Beteiligung, verschoben.

Es gab ja mehrere Töpfe, die für Künstler in Frage kamen. Um welche Hilfen hast du dich genau beworben?
Eigentlich wollte ich mich für das Sofortprogramm zur Unterstützung freischaffender Künstlerinnen und Künstler bewerben. Das ist allerdings für bildende Künstler nicht wirklich geeignet, da es explizit Belege über ausgefallene Honorare verlangt. Die können wir – im Gegensatz zu beispielsweise darstellenden Künstlern – kaum liefern. Auf Rückfrage wurde mir angeboten, ausgefallene Ausstellungen mit einem Förderbetrag von jeweils 300 Euro zu beziffern. Das halte ich für komplett realitätsfern. Insgesamt war das Sofortprogramm zur Unterstützung freischaffender Künstlerinnen und Künstler sehr knapp bemessen und dementsprechend nach kurzer Zeit ausgeschöpft. Stattdessen habe ich dann die NRW-Soforthilfen für Soloselbständige beantragt.

Josef Schulz, Foto: Leo Feng

Zu lesen war in dem Zusammenhang immer von „schneller unbürokratischer Hilfe“. Lass uns erst einmal über das „unbürokratisch“ sprechen. Wie einfach waren die Formulare gehalten?
Die Prozedur war tatsächlich überraschend unbürokratisch, man benötigte nur die entsprechenden Steuernummern, die betriebliche und die persönliche. Man hat all seine Daten in ein Online-Formular eingegeben. Der Aufbau des Formulars war einfach und weckte die Hoffnung, dass eines fernen Tages auch die normale Steuererklärung diesen Status erlangen könnte, jenseits aller Fachtermini.

Was für Unterlagen musstest du beibringen?
Keine, ich habe nur meine Daten und Steuernummern eingegeben.

Wie viel Zeit hast du investiert, um die nötigen Unterlagen zusammenzustellen?
Die investierte Zeit war sehr übersichtlich.

Wann hast du den Antrag eingereicht?
Am 28. März.

Und wie schnell ging es dann? Wann hast du Rückmeldung bekommen?
Die Bewilligung erhielt ich am 30. März, die Auszahlung erfolgte drei Tage später.

Wie viel Geld hast du bekommen?
Das Programm unterstützt Soloselbständige mit bis zu fünf Arbeitskräften mit 9.000 Euro.
Ich bin von einer anteiligen Auszahlung ausgegangen, schließlich bin ich alleine. Erhalten habe ich aber die volle Fördersumme, also 9.000 Euro. Da ich noch im März den Antrag gestellt habe, wurde das Geld auch ausgezahlt. Mir sind aber Fälle bekannt, deren Antrag positiv beschieden wurde, die aber bis heute noch kein Geld bekommen haben. Das hat mit den in dem Zusammenhang aufgetretenen Betrugsfällen zu tun.

Du bist ja bestimmt mit vielen anderen Künstlern im Austausch. Wie werden die Soforthilfe-Maßnahmen insgesamt beurteilt? Was ist gelungen? In welchen Punkten könnte man vielleicht nachbessern?
Die NRW-Soforthilfe für Soloselbständige ist sehr unbürokratisch und wird vielen Kreativen durch die Krise helfen. Sicherlich wäre eine zusätzliche Prüfung sinnvoll, um Betrugsfälle zu verhindern. Mein größter Kritikpunkt ist, dass das Geld ausschließlich für betriebliche Zwecke eingesetzt werden darf. Das entspricht nicht der Lebenswirklichkeit vieler Kreativer, die keine hohen laufenden Kosten haben. An der Stelle soll aber eventuell auch noch nachgebessert werden.
Das „Sofortprogramm zur Unterstützung freischaffender Künstlerinnen und Künstler“ ist hingegen meines Erachtens komplett falsch konzipiert worden. Das Budget, das zur Verfügung stand, war viel zu niedrig angesetzt, sodass es nach kurzer Zeit ausgeschöpft war. Die Nachweise über Honorarausfälle konnten wie schon erwähnt im besten Fall darstellende Künstlerinnen und Künstler beibringen, bildende Künstlerinnen und Künstler fielen da raus. Die Bindung an die Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse ist in meinen Augen richtig. Hier ergäbe sich eigentlich eine solide Datengrundlage, um die Künstlerinnen und Künstler pauschal oder angelehnt an ihre Einkommensverhältnisse zu fördern, ohne weitere Nachweise zu fordern.

Wofür wirst du das Geld, das du bekommen hast, einsetzen?
Meine laufenden betrieblichen Ausgaben sind relativ übersichtlich, steigen aber schnell an, wenn größere Projekte oder Ausstellungen anstehen. Ende August ist eine große Ausstellung im Kunstforum Hermann Stenner in Bielefeld geplant, an der ich schon seit vergangenem Jahr arbeite und die ein größeres Produktionsbudget bindet. Das Museum will im Mai wieder öffnen und wir gehen davon aus, dass die Ausstellung stattfinden kann. Für das Projekt werde ich die Förderung größtenteils verwenden.

Derzeit pausiert der Kulturbetrieb ja zumindest im realen Raum komplett. Theater und Clubs sind ebenso geschlossen wie Kinos und Museen. Wie schaust du in die Zukunft?
Ich hoffe, dass sich die Situation im Spätsommer beruhigt. Es gibt Anzeichen, dass Museen im Mai unter Auflagen wieder öffnen dürfen. Ich denke, im Museum lässt sich die vorgeschriebene Distanz auch gut gewährleisten. Für Veranstaltungen mit größerem Publikum sehe ich dagegen aktuell wenig Spielraum. Solange die Regel der „sozialen Distanz“ aufrecht erhalten werden muss, kann kaum eine Veranstaltung mit größeren Publikum stattfinden. Ich habe mich auf einige Konzerte und Theaterbesuche gefreut, alle wurden inzwischen abgesagt oder verschoben. Dieses Jahr wird wohl für uns alle, die gerne Theater, Konzerte oder Kinos besuchen oder sie veranstalten, sehr schwierig. Ich persönlich würde mir wünschen, dass die Menschen kleinere lokale Events besuchen, wo soziale Distanz relativ einfach herzustellen ist und auch Gefallen daran finden, diese in Zukunft zu würdigen und zu unterstützen. Diese Künstlerinnen und Künstler brauchen unsere Aufmerksamkeit, an der es in der Vergangenheit oft mangelte. „Lokal“ ist in wirtschaftlichen Zusammenhängen seit längerer Zeit eine Maxime. Jetzt ergibt sich die Chance, diese Devise auch auf die Kultur zu übertragen.

Josef Schulz‘ Videoarbeit „CQ 16“, die während eines Aufenthalts im chinesischen Chongqing entstand, ist am 5.5. zwischen 21:30 und 0:30 im Schaufenster des Künstlervereins onomato, Birkenstr. 97, zu sehen.

In dieser Reihe bereits erschienen:

Die Corona-Tagebücher #1: Solidarische Nachbarschaft Düsseldorf

Die Corona-Tagebücher #2: It’s oh so quiet

Die Corona-Tagebücher #3: Falsche Verknüpfungen

Die Corona-Tagebücher #4: Vom Geben und Nehmen

Die Corona-Tagebücher #5: Der Radius wird kleiner

Die Corona-Tagebücher #6: Kunst & Quarantäne

Die Corona-Tagebücher #7: Hausmusik

Die Corona-Tagebücher #8: In die Leere

Die Corona-Tagebücher #9: Virologen-Merchandise

Die Corona-Tagebücher #10: Was heißt hier sofort?

Die Corona-Tagebücher #11: Unfrisur

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