Thilo Schölpen im Interview – „Das Verdichten einer Idee ist Arbeit“

Scheint so, als hätte Düsseldorf derzeit musikalisch einen guten Lauf. Nach dem Debütalbum von Quent, an dem der Düsseldorfer Lars Schmidt beteiligt war, und Andreas van der Wingens neuem großartigem Projekt Van der Brügge kommt nun auch Thilo Schölpen mit einem neuen Album um die Ecke. „Across The Universe“, so der Titel, enthält zehn wunderbare Klavierstücke und referenziert auf so unterschiedliche Musiker und Bands wie Bob Marley, The Cure oder John Cage. theycallitkleinparis hat mit Thilo Schölpen gesprochen.

Thilo, ein Stück auf deinem neuen Album heißt „Play Like Damon Albarn Sings“. Wie überträgt man Albarns Gesang auf die Klavier-Tastatur? Und wie stehst du zu dem Musiker?
Es ist die Lässigkeit, die seinen Gesang und die Art, wie er sich präsentiert, prägt. Diese Lässigkeit verbinde ich mit dem Song und habe ihn deshalb so genannt. Sie steckt für mich im Beat und wird unterstrichen durch eine einfache gradlinige Melodie.

Der Song findet sich auf deinem mittlerweile dritten Solo-Klavier-Album, das gerade erschienen ist. Es trägt den Titel „Across The Universe“. Wie hat sich dein Sound im Laufe der Jahre entwickelt?
Nach meinem Klavierstudium brauchte ich einige Zeit, um mich vom Klavier zu lösen und Musik zu machen, bei der das Klavier nicht im Zentrum steht oder sogar gar nicht beteiligt ist. Ich hatte seit meinem 13. Lebensjahr jeden Tag Klavier gespielt, interessierte mich aber auch für Kunst und Film, Jim Jarmusch zum Beispiel oder William S. Burroughs. Ich habe angefangen, mit Gegenständen Musik zu machen und performative Elemente in die Musik zu integrieren. Spektakuläre Sound-Performances waren zum Beispiel die Klavierverbrennung in einem Kulturzentrum auf Mallorca oder „Stones“, bei der ich gemeinsam mit meiner Gruppe weltAusstellung ein Klanginferno aus Papier, Wasser, Plastik und Steinen inszenierte. Dadurch bekam das Klavier für mich eine neue Bedeutung. Ich konnte es jetzt oberflächlicher benutzen und habe 2005 mit meinen Klavierinterpretationen von Kraftwerk erste Solokonzerte gegeben.

Und wie würdest du den Klang deines neuen Albums konkret beschreiben?
Mit „Across The Universe“ wollte ich mir selbst beweisen, dass ich mit dem Klavier Musik machen kann, die einfach zu hören ist, rhythmische Intensität hat, aber nicht in den üblichen Klischees stecken bleibt. Dafür habe ich mich von Reggae, Elektro, Pop oder New Wave inspirieren lassen. Essenzen daraus habe ich auf das Klavier übertragen und mich dann treiben lassen, immer auf der Suche nach der einfachen, stringenten Lösung.

„Across The Universe“ heißt auch ein Song von John Lennon, dein Songtitel „Rain Into A Papercup“, ebenfalls auf dem neuen Album, ist ein Zitat aus dem selben Lied. Warum diese Referenz?
Ich habe einen Titel gesucht, der universell meine Idee des Albums transportieren kann. Da kam mir John Lennons Song „Across The Universe“ gerade recht. John Lennon ist für mich ein Meister der Pop-Intuition. Seine Melodien und Harmonien spiegeln für mich den Freigeist.

Auch darüber hinaus gibt es einige Verweise auf popkulturelle Zusammenhänge. Auf welche zum Beispiel?
In den meisten Titeln ist diese Referenz angedeutet. „LaNitha“ zum Beispiel bezieht sich klar auf Düsseldorf. In dem Song zitiere ich „Rheinita“ von La düsseldorf ebenso wie Kraftwerks „Neonlichter“. Das ist allerdings der einzige Song, in dem ich Melodien zitiert habe. Ich verweise aber auch auf Mouse on Mars, Air, Bob Marley, The Cure, sogar auf Jaques Brel und John Cage.

Ich habe vor einiger Zeit ein Interview mit Tom Blankenberg gemacht. Auch er hat ja ein Solo-Klavier-Album gemacht. Seine Songs tragen als Titel oft schlicht den Monat, in dem sie entstanden sind. Blankenberg möchte, dass die Bilder im Kopf des Zuhörers entstehen. Und dass sie unterschiedlich sind. Erscheint dir das plausibel? Deine Songs haben ja sehr prägnante Titel, die durchaus Richtungen vorgeben könnten.
Das erste Bild im Kopf des Hörers entsteht ja schon in dem Moment, wenn er weiß, dass er nur ein Klavier hört. Es gibt Hörer, die sich darauf gar nicht erst einlassen. Ich will durch die Titel meine Musik von diesem Vorurteil befreien, sie damit in einen anderen Kontext setzen.

„Es gibt Musik, die als Ganzes aus einem herausfließt und es gibt Melodien, die störrisch sind.“ So beschreibst du den Kompositionsprozess. Welche der beiden Optionen ist bei dir eher die Regel?
Es gibt da keine Regel. Meine Ideen für Musik entstehen spontan. Das ist oft eine Melodie, es kann auch eine harmonische Bewegung oder eine Rhythmik sein. Das Verdichten einer Idee ist Arbeit. Der Song muss Kriterien genügen, die sich manchmal erst im Kompositionsprozess ergeben. Er muss eine Konsequenz aus sich selbst heraus haben. Am Ende soll es wieder leicht und selbstverständlich klingen.

Du beschreibst deine Musik als Klaviermusik, die nicht in erster Linie das Klavier in den Vordergrund stellt, sondern vielmehr die Komposition, die auch von einer Band oder elektronisch orchestriert gespielt werden könnte. Gibt es diesbezüglich konkrete Ideen?
Beim Komponieren hatte ich eher das Konzept von Bandmusik im Kopf als pianistische Ausdrucksformen. Ich habe Bass, Drums, Melodien und Akkorde strukturiert, wie von einer Band gespielt. Der Rhythmus ist ein ganz wichtiger Bestandteil dieser Musik. Manchmal höre ich psychedelische Gitarren, manchmal Ethno, Reggae oder Grunge. Es gibt noch keine konkreten Ideen, das zu realisieren. Coverversionen fände ich interessant.

Wer hat das Cover-Artwork zu „Across The Universe“ gemacht? Und wie ist die Idee dahinter?
Das Cover-Artwork ist von Gesine Grotrian. Es stecken auch darin für mich Assoziationen, zu NEU!, Joy Division, Kraftwerk bis hin zu dem Film „Metropolis“. Gesine hat für das Cover eine Schrift entwickelt, die diese Zusammenhänge und auch meine architektonische Herangehensweise an die Musik perfekt widerspiegelt.

Am 2. Mai hätte dein Release-Konzert in der Oberbilker Christuskirche stattfinden sollen. Das ist aufgrund der Corona-Krise jetzt natürlich gecancelt. Für freischaffende Künstler ist es ohnehin eine schwere Zeit. Kannst du der Krise auch Positivaspekte abgewinnen?
Ja, das kann ich. Interessant finde ich die Verantwortung, die man als einzelner für die Gesellschaft spürt. Es entsteht Solidarität im Kampf gegen ein gemeinsames Schicksal.

Ich habe den Eindruck, dass derzeit viel im Entstehen ist. Weil viele Menschen Zeit haben. Und Ruhe. Und wenig Alternativen in der Freizeitgestaltung. Wie ist das bei dir?
Eigentlich wäre ich gerade im Vorbereitungsprozess für das Release-Konzert. Ich habe zu zwei meiner Songs Videos gemacht. Dafür hätte ich ohne Corona vielleicht nicht so viel Zeit gehabt. Die Dinge entstehen aber sowieso, wenn man sie ernst nimmt.

Dein letztes Soloalbum erschien 2015. Es hieß „Piano Diary“ und kam lediglich ein einziges Mal zur Aufführung. Warum nur ein Mal?
Kurz nach der Aufführung von „Piano Diary“ war ich mit meiner Gruppe The Feedback Gents zu mehreren Konzerten eingeladen und war plötzlich sehr eingespannt in das Projekt. Ich habe „Piano Diary“ hinten angestellt, weil The Feedback Gents eine größere Dringlichkeit für mich bekamen.

Bei der Vorbereitung auf dieses Gespräch habe ich einen Wikipedia-Eintrag über dich gefunden. Hast du den selber verfasst?
Leider ja.

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