Sebastian Brück im Interview – „Ich jogge sogar langsam“

Sebastian Brück ist Journalist, Autor und Blogger. Seit 2014 flaniert er an der Düssel entlang und schreibt über diese stets sehr kurzen Etappen auf seinem Blog Düssel-Flaneur. Im Interview mit theycallitkleinparis spricht Brück nicht nur über das Flüsschen, sondern auch über die Werstener Riviera, seine Abneigung gegen Jack Wolfskin und die legendäre furzende Businessfrau.

 

Auf vielen Blogs schreiben Blogger über sich selbst. Über sich und die Mode. Sich und das Essen. Sich auf Reisen. Du hingegen arbeitest beim „Düssel-Flaneur“ mit fiktiven Protagonisten. Warum ist dir das wichtig?
Ich habe „Düssel-Flaneur“ das erste halbe Jahr sogar geschrieben, ohne mich als Autor zu outen, wollte vollkommen frei sein. Das hätte natürlich nicht funktioniert, wenn ich bei jeder Etappe Selfies an der Düssel gemacht hätte. Textlich finde ich es ohnehin viel spannender, mir Figuren auszudenken als über mich selbst zu schreiben. Durch den Dreh mit den beiden fiktiven Protagonisten kann ich auch mal bescheuerte Dialoge unterbringen. Das Blog ist quasi meine literarische Spielwiese.

Du bist ziemlich gut darin, Charaktere literarisch zu erschaffen. P., den besten Freund des Ich-Erzählers aus deinem Blog. Sofia aus der Kurzgeschichte „Sofia auf dem Sand“. Nur die furzende Business-Frau in einer Kölner Sparkassen-Filiale, die hast du nicht erfunden, oder?
Nein, der Business-Frau im blauen Mantel bin ich tatsächlich kurz vor Karneval 2017 begegnet. Und wahrscheinlich werde ich noch meinen Enkelkindern von ihr erzählen. Ich habe das Erlebnis sofort am nächsten Tag aufgeschrieben, in einem Rutsch – und musste dabei permanent lachen.

Als du die Furz-Inferno-Geschichte im Rahmen von „Off Church“ in der Christuskirche vorgelesen hast, haben die Besucher sich weggeschmissen. Worüber kannst du selber – von furzenden Business-Frauen einmal abgesehen – gut lachen?
Ich liebe die frühen Hörspiele von Helge Schneider aus den 1980ern, bei denen er alle Rollen selbst gesprochen und zusammengemischt hat. Mein Humor geht also eher in die skurrile Richtung. Das Buch, über das ich bisher am meisten gelacht habe, war „Fleckenteufel“ von Heinz Strunk.

Am 9.6. gastierst du im Café Neandertal No. 1 in Erkrath. Dort liest du ausschließlich aus deinem Blog „Düssel-Flaneur“. Und zwar zum Brunch. Ist das nicht eine seltsame Vorstellung, zu lesen, während andere Eier pellen, Kaffee schlürfen oder in Croissants beißen?
Das Lokal öffnet um 10 Uhr, man kann vorher frühstücken, ab 11 beginnt die Lesung. Und wir haben zwei Pausen eingeplant, damit sich die Gäste in Ruhe mit Nachschub versorgen können. Aber wenn jemand nur einen Kaffee trinkt, ist das natürlich auch okay. Eine ungezwungene Frühstückslesung. Ich glaube, das wird ganz entspannt.

Die beiden Hauptfiguren deines Blogs wandern die Düssel von der Mündung bis zur Quelle ab. 45 Kilometer sind das. OB Geisel würde die locker an einem halben Tag bewältigen. Wie viele Etappen beziehungsweise Blog-Folgen, denkst du, werden deine Protagonisten benötigen?
Aktueller Standort ist das Neandertal, kurz vor Gruiten-Dorf. Das dürfte etwas mehr als die Hälfte der Strecke sein, für die ich rund 40 Etappen und 43 Blog-Folgen gebraucht habe. Ich vermute, bis zur Quelle werden es mindestens noch mal so viele sein. Der Plan für danach: auch noch die Nördliche Düssel und den Kittelbach ablaufen, jeweils von der Mündung in den Rhein bis zu den Spaltwerken. Genug Stoff für die kommenden Jahre, denn momentan schaffe ich es nur alle vier bis sechs Wochen eine neue Etappe zu veröffentlichen.

Den „Düssel-Flaneur“ gibt es seit August 2014. Nun geht es ja ausdrücklich nicht ums Wandern, sondern wie der Name schon sagt ums Flanieren. Hast du auch sonst ein Faible fürs Langsame, Gemächliche?
Durchaus, ich jogge sogar eher langsam, kein Witz! Und wenn ich eine Fahrradtour mache, geht es mir auch mehr ums Erleben, als ums Kilometerfressen. Bin ich zu Fuß unterwegs, finde ich es toll, die eigene Stadt – oder eine andere – ohne großartigen Plan zu entdecken, sich einfach treiben zu lassen. Wenn es jedoch darum geht, lästige Dinge zu erledigen, neige ich kurioserweise zur Hektik – je nerviger die Tätigkeit, desto mehr. Vielleicht, damit ich umso schneller wieder vom Funktionsmodus in den Flaniermodus wechseln kann.

Längere Strecken in Trekking-Schuhen und Jack Wolfskin-Montur sind also nicht so deins?
Im Sommer kann es passieren, dass ich auch mal in Flip-Flops entlang der Düssel unterwegs bin. Trekking-Schuhe habe ich noch nie besessen. Ich halte mich da auch im Alltag an das Motto meines Blogs: „Zu Fuß, mit Ironie und ohne Jack Wolfskin …“. Im Prinzip habe ich aber überhaupt nichts gegen längere Wanderungen, ich komme nur nicht dazu.

Mir wurde zugetragen, dass du gerne mal gemeinsam mit Lesern und Freunden des Blogs flanieren gehen würdest. Gibt es diesbezüglich schon konkretere Pläne?
Ich stelle mir da eine gemeinsame Etappe von Erkrath Richtung Neandertal vor. Keine Ein-Kilometer-Kurzstrecke, so wie bei meinen beiden Blog-Protagonisten, aber auch keine Marathon-Wanderung. Ein Stündchen unterwegs entlang des Düssel-Ufers – und dann gemeinsam irgendwo einkehren und etwas trinken. Vielleicht klappt es dieses Jahr noch.

Düssel an der Karolinger Straße, Foto: Sebastian Brück

Welchen Abschnitt würdest du jemandem, der die Düssel noch gar nicht kennt, wärmstens empfehlen? Quasi zum Einsteigen?
Ich bin ein großer Fan der Karolingerstraße in Bilk, habe da auch schon als Kind gespielt. Eine schattige Allee mit schönen Altbauten, und in der Mitte das Flüsschen: Für mich ist das die schönste Straße in Düsseldorf. Insofern würde ich empfehlen, die Düssel von der Ecke Karolingerstraße/Planetenstraße aus stromaufwärts entlang zu spazieren, entlang der Feuerbachstraße, bis zum Volksgarten. Ein idyllischer grüner Streifen im urbanen Raum. Hier wurde sogar schon öfters der seltene Eisvogel gesichtet.

Werstener Riviera, Foto: Sebastian Brück

Und wo lässt es sich am Flüsschen im Sommer prima abhängen und Bier beziehungsweise Limo trinken?
Mein Geheimtipp liegt in Wersten – von der Fischtreppe am Werstener Kreuz flussaufwärts, entlang des Tunnels der A46 beziehungsweise der Werstener Dorfstraße. Nirgendwo in der Stadt ist die Südliche Düssel so breit wie dort. Man kann Fische beobachten, und das Ufer ist meist an beiden Seiten zugänglich. Die Werstener Riviera, sozusagen. Auch am Brückerbach, der ja ein Düssel-Arm ist, kann man schön am Ufer sitzen, entweder auf dem Deich oder die Beine im Wasser baumelnd – auf den Steinquadern unterhalb der gelben Fußgängerbrücke am Mendelweg.
Im Zentrum sitzt man auf den Bänken an der Wasserstraße am schönsten, unterhalb der NRW-Bank, kurz bevor die Düssel in den Kaiserteich einfließt.

Du bist Blogger, Journalist und Autor. Das letzte Buch, an dem du mitgeschrieben hast, war ein Mensch-Hund-Ratgeber. „Wenn Hunde sprechen könnten und Menschen richtig zuhören“. Eine Idee für einen Roman hast du auch seit Jahren in der Schublade liegen. Bist du damit mittlerweile weitergekommen?
Ja, ich habe inzwischen rund 60 Seiten geschrieben, und immer, wenn die Brotjobs mir Zeit lassen, arbeite ich weiter. Und wer weiß: Vielleicht bekommt die Düssel ja sogar eine Nebenrolle im Buch …

9.6., 11 Uhr, Café Neandertal No. 1, Erkrath

1 Kommentar

Kommentieren

Liebe Alexandra,

was für ein Interview und für mich als Leser der ersten Stunde des Düssel-Flaneur sehr lesenswert.
Wobei wir alle wissen, wie sehr Sebastian an Bilk und der Karolingerstraße hängt.
Was aber zu gut nachvollziehen kann.

Danke für das Interview
Michael

Schreibe einen Kommentar

*