Maria Gilges im Interview – „Am Anfang war ich unsicher“

Maria Gilges ist Künstlerin. Sie malt, häkelt Objekte aus alten Plastiktüten und filzt. Einmal jährlich öffnet sie im Rahmen der Kunstpunkte ihr Atelier für Besucher. Das macht sie bereits seit vielen Jahren. 200 bis 300 Leute kommen dann über zwei Tage verteilt in ihren kleinen Raum im Hinterhof an der Flurstraße. Kurz bevor es wieder so weit ist mit den Blind Dates im Namen der Kunst hat theycallitkleinparis mit Gilges gesprochen.

 

Maria, die Kunstpunkte firmieren unter Künstlern ja auch unter „Putzpunkte“. Weil die Ateliers halt für die Besucher fein gemacht werden. Wie viele Stunden investierst du ins Aufräumen und Saubermachen?
Sechs Stunden wird es wohl mit allem Drum und Dran dauern, schätze ich mal. Ich habe es nicht so gerne, wenn die Leute genau sehen, wie ich arbeite. Nicht, weil ich etwas zu verheimlichen habe. Sondern weil es einfach so intim ist. Ich baue das Atelier deshalb so um, dass die Leute rein dürfen.

Die Kunstpunkte gibt es bereits seit über 20 Jahren. Seit wann bist du dabei?
Seit 16 Jahren. Im vergangenen Jahr habe ich pausiert, weil ich eine Ausstellung hatte. Das war mir dann zu viel. Aber dieses Mal bin ich wieder dabei.

Was ist für dich die Motivation, mitzumachen?
Das ist natürlich schon in erster Linie das Feedback. Gerade von Leuten, die mit Kunst sonst vielleicht nicht so viel zu tun haben. Das finde ich sehr spannend. Ich hänge bevorzugt neue Arbeiten auf, um zu sehen, wie die Leute darauf reagieren. Man hat ja zu seinen eigenen Arbeiten oft keinen Abstand mehr.

Bedarf es der Überwindung, fremde Menschen in sein Atelier zu lassen?
Am Anfang war ich schon ein bisschen unsicher. Mittlerweile bin ich ja schon länger dabei und dementsprechend routinierter. In Flingern sind traditionell sehr viele Kunstpunkte-Besucher unterwegs. Und die sind natürlich nicht alle nett. Da kommen auch schon mal sehr unschöne Kommentare. Anfangs hat mich das gekränkt.

„Wer soll sich denn so was ins Wohnzimmer hängen?“, Foto: Alexandra Wehrmann

Was waren das für Kommentare?
„Wer soll sich denn so was ins Wohnzimmer hängen?“ hat mal jemand gesagt. Ein anderer hat gefragt, ob ich schon mal eine Therapie gemacht hätte. Es gibt auch Leute, die über die Oberfläche von Gemälden kratzen. Die bitte ich dann höflich, das zu unterlassen. Bei meinen aus Plastikstreifen gehäkelten Figuren, den sogenannten Trophäen, ist das anders. Die darf man natürlich anfassen. Die sind weniger empfindlich. Insgesamt sind die Begegnungen bei den Kunstpunkten aber schon überwiegend nett. Und ich verkaufe auch regelmäßig was.

Ich kenne die Veranstaltung ja aus der Sicht der Besucherin. Da ist es mir, wenn ich ungezielt irgendwo hingegangen bin, schon mal passiert, dass ich reinkam und sofort sah: unterirdische Kunst. Und ein Künstler mit übergroßem Mitteilungsdrang. Was macht man dann? Man kann ja nicht rückwärts wieder rausgehen.
Doch. Ist bei mir auch schon passiert. Eine Frau, die auf der Schwelle stand, meine Arbeiten sah und auf dem Absatz kehrtgemacht hat. Ist aber auch legitim. Besser, als wenn jemand meine Arbeiten schlecht macht.

Die Veranstalter der Kunstpunkte rechnen in diesem Jahr mit 65.000 Atelierbesuchern. Wie viele Menschen haben in den vergangenen Jahren bei dir vorbeigeschaut?
In der Vergangenheit waren schon mal 300 Leute an einem Wochenende hier. Damals fuhr der Shuttle-Bus noch durch die Flurstraße. Mittlerweile hat das Interesse ein bisschen nachgelassen. Aber ich rechne immer noch mit 200 Leuten.

Unter den 200 Besuchern sind ja sicher auch Künstler. Wie ist das für dich, wenn Kollegen kommen? Die schauen ja noch mal ganz anders drauf.
Wenn Kollegen kommen, die ich kenne und deren Arbeiten ich schätze und die dann im Gegenzug auch meine Sachen mögen, ist das natürlich besonders toll.

Trophäen, Foto: Alexandra Wehrmann

Du postest neue Arbeiten regelmäßig bei Facebook. Dort kann man den Eindruck gewinnen, dass du ziemlich produktiv bist.
Im Moment ja. Da entstehen schon mal zehn, 15 Arbeiten im Monat. Manchmal sind es auch nur zwei. Aber es passiert immer etwas. Ich bin ein bis zwei Mal die Woche im Atelier, arbeite aber auch zuhause. Wenn ich so drüber nachdenke, mache ich eigentlich jeden Tag was.

Wie schwer fällt es dir, zu entscheiden, welche Sachen du bei den Kunstpunkten zeigst?
Das ist in der Tat gar nicht so einfach. Mein Plan für dieses Jahr ist folgender: Wir hängen erst mal die Arbeiten meiner Gastkünstlerin und Freundin Ada auf, Ada Blochwitz. Im Anschluss schaue ich dann, welche Arbeiten von mir dazu passen. Wir planen auf jeden Fall eine Petersburger Hängung. Vom Boden bis an die Decke alles voll. Ich habe sonst bei den Kunstpunkten immer eher wenig gezeigt. Jetzt mache ich mal genau das Gegenteil.

Was ist von Ada zu erwarten?
Ada malt und zeichnet. Wie ich hat sie eine Sammlung von alten Fotos. Außerdem sammelt sie alte Zeitungen, Stoffe und Lochkarten. Diese Materialien klebt sie auch schon mal auf die Leinwand, um sie anschließend zu übermalen. So bekommen die Arbeiten etwas Collagenhaftes. Auf Adas Bildern sind außerdem oft Tiere zu sehen. Das ist eine weitere Parallele zu meinen Werken.

Du hast dein Atelier seit rund 16 Jahren hier in Flingern, im Hinterhof an der Flurstraße. Nun ist der Stadtteil in den vergangenen 20 Jahren ja ein teures Pflaster geworden. Wie hoch ist die Ateliermiete?
Wie viel ich genau bezahle, möchte ich nicht sagen. Es ist auf jeden Fall bezahlbar. Hier sind auch noch weitere Ateliers im Haus. Wir haben alle Schiss, dass wir irgendwann raus müssen. Es waren schon Investoren hier. Ist halt Flingern.

Wo wir schon bei den Räumen sind: Wie groß ist das Interesse der Kunstpunkte-Besucher an den Räumen als solchen?
Natürlich groß. Es gibt welche, die kommen ausschließlich deshalb. Manche fragen dann auch, was das hier kostet und ob man hier auch wohnen könnte. Dann werde ich allerdings dann ein bisschen böse.

Vorletzte Frage: Verpflegung ist bei den Kunstpunkten ja durchaus auch ein Thema. Gibt es bei dir Getränke oder Snacks?
Anfangs habe ich immer was hier gehabt. Wein. Kaffee. Snacks. Ich habe die Besucher regelrecht bewirtet. Das Problem ist, dass sich manche Leute dann hier fest trinken. Oder fest essen. Das kann durchaus unangenehm werden. Deshalb biete ich heute erst was an, wenn man bereits nett ins Gespräch gekommen ist.

Insgesamt haben die Kunstpunkte ja einen Blind-Date-Charakter. Hattest du jenseits der Kunst schon mal ein Blind Date?
Ja, eins. Lange her, das war in den 1980er-Jahren. Ich war damals junge, alleinerziehende Mutter und auf der Suche nach einem Mann mit Kind. Ich habe dann auf eine Kontaktanzeige im Stadtmagazin „Überblick“ geantwortet. War aber ein totales Desaster. Der Typ hatte lange Haare und hat Dudelsack gespielt. Ging gar nicht!

21.9., 14-20 Uhr, 22.9., 12-18 Uhr, zahlreiche Ateliers im nördlichen Düsseldorf, Maria Gilges hat ihr Atelier an der Flurstraße 61, sie ist Kunstpunkt 145

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