Klaus Klinger im Interview – „Street Art ist eine Aneignung von öffentlichem Raum“

Mitten in den Sommerferien, wenn die Kultur im Tiefschlaf ist, findet die dritte Ausgabe des 40Grad Urbanart Festivals statt. Schwerpunkt der Aktivitäten ist in diesem Jahr Holthausen. theycallitkleinparis hat mit Klaus Klinger von farbfieber gesprochen, die das Festival mitorganisieren.

Das Herz des 40Grad Urbanart Festivals schlägt 2017 in Holthausen. Wie kam es dazu, dass der Kamper Acker zentraler Austragungsort wurde?
Nachdem das Festival 2015 rund um den Gustaf-Gründgens-Platz stattfand, wollten wir diesmal in einen etwas vernachlässigten Stadtteil gehen. Zunächst war Garath im Gespräch. Aber dann kam vom Arbeitskreis Holthausen die Anfrage, ob wir uns nicht mal um den Kamper Acker, den zentralen Platz im Stadtteil, kümmern könnten. Uns gefiel die Idee. An einem Platz wie diesem zu arbeiten, hat einen ganz anderen Charme als an einem kommerzialisierten Ort mitten in der Stadt.

Wie nimmst du selber den Stadtteil Holthausen, den man ja in erster Linie mit dem riesigen Henkel-Gelände verbindet, wahr?
Für viele Düsseldorfer ist Holthausen ein Stadtteil, in dem man sich eher selten aufhält. Den Kamper Acker musste ich zunächst mal suchen. Er ist nämlich unter dem Namen auf keinem Stadtplan zu finden. Eigentlich ist es ein schöner Platz. Damit er von den Menschen genutzt werden kann, bedarf es allerdings noch der Bearbeitung und Gestaltung, nicht nur in künstlerischer Hinsicht. Wir hoffen, mit unserer Arbeit eine entsprechende Entwicklung anstoßen zu können.

Der 1300 qm große geteerte Platz auf dem Kamper Acker wird mit einem Bodenkunstwerk versehen werden. Wird dort – wie 2015 beim Gustaf-Gründgens-Platz – Kreide verwendet, die wieder verschwindet, oder wird der Platz langfristig farbig bleiben?
Die Bemalung am Kamper Acker wird bleiben. Zu diesem Zweck verwenden wir Spezialfarben. Der Platz soll ja auch in Zukunft genutzt werden zum Rollschuh laufen, Basketball spielen und für viele andere Aktivitäten.

Neben dem Kamper Acker sollen auch mehrere Hauswände gestaltet werden. Wo genau sind die zu finden?
Eine große Hauswand ist gerade einmal 100 Meter vom Platz entfernt, auf der Kölner Landstraße 431. Sie wird von Charles Bhebe gestaltet werden, einem Künstler aus Simbabwe, der an der diesjährigen Venedig Biennale teilnimmt. Mit weiteren Hausbesitzern sind wir derzeit noch im Gespräch.

Wie schwierig ist es für euch, Hauswände zu bekommen?
Momentan gestaltet es sich noch etwas schwierig, was vermutlich auch daran liegt, dass bisher noch keine Häuserwände in Holthausen gestaltet wurden. Sehr schade finde ich persönlich, dass die Telekom die Wand ihres Gebäudes auf der Bonner Straße nicht zur Verfügung stellen wollte, obwohl es sie nichts gekostet hätte. Wir suchen also weiter nach Hauswänden. Die zentrale Aktion wird aber auf jeden Fall die Gestaltung des Platzes am Kamper Acker sein. Dort werden in den 14 Tagen, die das Festival dauert, ständig Workshops und Veranstaltungen stattfinden.

Wie viele Künstler sind in diesem Jahr an dem Festival beteiligt?
Es werden an die 25 Künstler teilnehmen. Viele von ihnen werden Workshops leiten. Es wird aber auch auf dem Platz gemalt, gesprayt und gebaut.

Sind die Street Artists denn überwiegend aus Düsseldorf oder reisen auch Leute von außerhalb an?
Charles Bhebe aus Simbabwe habe ich ja schon erwähnt. Falls wir noch eine Wand finden, würde ich außerdem gerne Anis einladen, eine bekannte Sprayerin aus Chile, die gerade in Deutschland ist. Ansonsten wird die lokale Szene vertreten sein. Die MaJo Brothers werden einen Workshop geben und parallel an einem unserer Satellitenorte in Gerresheim eine lange Mauer gestalten.

Bei einem Sprayer-Wettbewerb in Garath entstand vor einigen Wochen ein Graffito, das die Gewalt beim G20 in Hamburg verherrlichte. Lasst ihr euch von den Sprayern vorab über die geplanten Motive informieren?
Bei großen Hauswänden finden wir es selbstverständlich, dass der Entwurf vorher einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt wird. Bei einem Graffiti-Contest, an dem 30 bis 40 Sprayer teilnehmen, ist das unmöglich und auch nicht gewollt, sondern es geht um die freie Entfaltung der kreativen, meist jungen Leute. Aber natürlich gibt es Regeln. Nichts Sexistisches, Rassistisches oder Gewaltverherrlichendes. Ich glaube allerdings nicht, dass es den besagten Sprayern in Garath darum ging. Ihr Bild war eher eine Art Protest gegen die Gewalt, die ja beim G20 auch von der Polizei von Anfang an praktiziert wurde. Trotzdem ein dämlicher Spruch! Ich hätte mit den Sprayern diskutiert und versucht, eine intelligentere Lösung zu finden.

Werdet ihr selber als farbfieber auch an der Wand aktiv? Oder konzentriert ihr euch in dem Fall aufs Veranstalten?
Wir werden die künstlerische Vorlage für die Bemalung des Platzes entwerfen und auch die Umsetzung anleiten. Ansonsten haben wir natürlich genug mit der Organisation zu tun.

Für den 22. August kündigt ihr eine Veranstaltung zum Thema „Demokratisierung des öffentlichen Raumes“ an. Welche Rolle spielt die Street Art in dem Zusammenhang?
Bei Street Art, wie ich sie verstehe, geht es der Kunst immer um wesentliche Fragen, die alle Bürger betreffen. Street Art ist eine Aneignung von öffentlichem Raum, gegen Kommerzialisierung und Privatisierung. Aber in der Diskussion geht es auch um Umwelt, Verkehr, Gentrifizierung und nicht zuletzt auch um die Frage, inwieweit der Bürger überhaupt noch Möglichkeiten hat, mitzubestimmen, wie sein Umfeld aussieht, in welcher Stadt er leben möchte.

Du hast dich lange Zeit dafür stark gemacht, dass die Unterführung an der Vennhauser Allee in Eller zum Gestalten freigegeben wird. Seit vergangenem Jahr ist sie kunterbunt. Wie sind die Reaktionen? Wird Street Art in der Stadt mittlerweile anders wahrgenommen und bewertet als früher?
Die Unterführung war wie viele Unterführungen hier in Düsseldorf ein ziemlich dreckiges Loch. Sie hat durch die Bemalung definitiv gewonnen. Viele Bürger nehmen Street Art mittlerweile anders wahr, was man an den Reaktionen und auch am Interesse von Hausbesitzern, ihre Wand gestalten zu lassen, merkt. Die Stadt hat sich hingegen sehr lange geweigert, überhaupt eine öffentliche Fläche für Street Art zur Verfügung zu stellen. Ich kenne das, ich führe ja diesen Kampf schon seit 40 Jahren. Unter dem neuen Bürgermeister hat sich die Situation etwas verbessert. Es gab einen festen Etat von 25.000 Euro, was für ein 14-tägiges Festival natürlich auch nicht gerade üppig ist. In diesem Jahr wurde er um 1700 Euro gekürzt. Das bedeutet konkret, dass die Künstler immer noch für ein Minimalhonorar oder komplett umsonst arbeiten.
Weltweit gesehen ist Street Art mittlerweile ein Hype mit allen daraus resultierenden Vor- und Nachteilen. Bilder von Street Artists werden für mehrere Hunderttausend Euro auf dem Kunstmarkt verkauft. Auch Düsseldorf ist für seine Street Art weltweit bekannt, wobei sich die meisten Kunstwerke auf privaten Hauswänden befinden. Die Stadt hat wie so oft viel verschlafen. Die offiziellen Kulturinstitutionen sind zu behäbig, sie werden wohl noch 20 Jahre brauchen, um das Potenzial zu erkennen. Aber was soll‘s? Wir erobern uns die Stadt weiter.

40Grad Urbanart: 12.-24.8. Kamper Acker, Düsseldorf

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