Daniela Georgieva im Interview – „Immer einen Hang zur Bühne“

Daniela Georgieva ist eine Künstlerin mit einem vielgestaltigen Output. Die gebürtige Bulgarin hat an der Düsseldorfer Kunstakademie studiert. Unter dem Namen Pony macht sie seit vielen Jahren elektronische Musik. Seit einiger Zeit schafft sie zudem performative Kunst. Jetzt geht die 40-Jährige, die ohnehin immer in Bewegung ist, noch einen Schritt weiter: Mitte September hat ihre erste choreografische Arbeit Premiere. theycallitkleinparis hat mit Georgieva gesprochen.

 

Dani, lass uns mal ganz deutsch anfangen. Wir sortieren die Dinge ja gerne in Schubladen. Du kommst ursprünglich aus der Bildenden Kunst, hast bei Penck an der Akademie studiert. Seit wann machst du Performances?
Seit 2016. Angefangen hat es in der Kunsthalle. Dort habe ich damals einen Workshop gemacht, „Through the Body to the Mind“ hieß der und bezog sich auf die „Arena“, eine Arbeit von Rita McBride, die das Herz ihrer Solo-Ausstellung in der Kunsthalle war. Im Prinzip waren das Wahrnehmungsübungen. Das funktionierte so, dass die Workshop-Teilnehmer sich im Raum bewegten und so Bezug zur „Arena“ aufnahmen. Anfassen, ein Gefühl für das Material bekommen, sich dran anlehnen, sich daneben legen, sich von der Skulptur entfernen – bei all dem habe ich die Teilnehmer angeleitet. Das war die erste Arbeit. Wenig später habe ich dann in dem Berliner Raum „Image Movement“ erstmals eine kurze Sequenz getanzt. „Whiff“ war der Titel, also übersetzt Hauch. Wie kann ich durch einen Atemzug eine Bewegungsfolge ausführen? Darum ging es. „Whiff“ war meine erste öffentliche Auseinandersetzung mit Körper im Raum.

Wie viele Performances hast du mittlerweile kreiert?
Warte mal (zählt leise nach). Sechs, das waren allesamt Solo-Arbeiten. Und jetzt kommt die siebte Arbeit, bei der ich allerdings nicht als Performerin auf der Bühne stehe, sondern die ich choreografiere. Parallel zu den Proben entsteht übrigens gerade eine Monographie, die meine performative Arbeit zusammenfasst. Es werden nicht alle Arbeiten reinkommen, aber auf jeden Fall die beiden Projekte aus der Düsseldorfer Kunsthalle. Zuletzt habe ich ja eine Physical Introduction zu Megan Rooneys Ausstellung „Fire on the Mountain“ gemacht.

Nun bist du ja keine ausgebildete Tänzerin.
Das stimmt, ich komme selber nicht aus dem Tanz, obwohl ich als Kind bulgarischen Volkstanz trainiert habe, in Bulgarien, wo ich geboren bin. Das habe ich gemacht, wie andere Ballett trainieren. Mittlerweile habe ich mich aber weitergebildet. An der Tanzfabrik in Berlin und in diversen Workshops von Choreografen in ganz Europa. Aber erst in den vergangenen drei Jahren.

Bevor du dein Studium an der Kunstakademie aufgenommen hast, wolltest du ja eigentlich in die darstellende Kunst.
Ja, das ist richtig. Ich wollte Schauspiel studieren.

Und hast du dich an Schauspielschulen beworben?
Nein, gar nicht. Ich habe in einer freien Gruppe geschauspielert. Und in Leverkusen habe ich mich mal beworben, an einem kleinen Theater. Tatsächlich hätte ich sogar die Möglichkeit gehabt, dort eine Ausbildung zu absolvieren. Dann kam die Zusage von der Kunstakademie und ich bin nach Düsseldorf gegangen. Trotzdem hatte ich immer schon einen Hang zur Bühne. Ich bin ja auch Musikerin. Da ist man ja auch auf der Bühne. Für mich sind die Dinge, die ich mache, letztendlich gar nicht zu trennen. Es ist lediglich ein anderer Ausdruck.

Aber ist nicht eine tänzerische Arbeit noch mal etwas ganz Anderes. Du bist ja als Performerin völlig ungeschützt. Und dein Körper ist viel stärker im Zentrum als bei einer Musikerin. Gab es da für dich ein Moment der Überwindung, als du mit den Performances begonnen hast?
Nein, das gab es nicht. Ich bin in dem Moment so sehr in meine künstlerische Arbeit vertieft, konzentriert auf die Kunst, den Ausdruck, die Ästhetik, dass ich alles Andere ausblende, mich regelrecht vergesse. Privat würde ich mich als eher schüchtern beschreiben. Wenn ich künstlerisch arbeite, fühle ich mich freier und wohler als im echten Leben. Deshalb bin ich wahrscheinlich Künstlerin geworden. Auf der Bühne kann ich all das sein, was ich sonst nicht bin. Deshalb brauche ich das so sehr.

Tänzer „Ein Abend für Tanz / Vierx1“, Foto: Thomas Weidenhaupt

Dein jüngstes Projekt trägt den Titel „Ein Abend für Tanz / Vierx1“ Es ist deine erste choreografische Arbeit, in der du nicht selber auf der Bühne bist. Wann habt ihr mit den Proben begonnen?
Die Idee stammt schon aus dem vergangenen Jahr. Damals habe ich damit begonnen, Förderanträge zu stellen. Ohne Förderung hätte ich das Ganze nämlich gar nicht machen können. Es hängen ja viele Leute dran, die Tänzer, der Musiker, die Kostümfrau und ich. Seit Juni laufen die Proben. Allerdings ziemlich unregelmäßig. Mal ein paar Tage am Stück, dann wieder eine Weile nicht. Die Tänzer sind ja auch in andere Produktionen eingebunden. Zwei der Tänzer, Kelvin Kilonzo und Christian Paul, kommen aus dem Urban Dance. Sophia Seiss und Clara Marie Müller, die beiden anderen Mitwirkenden, haben für Abramovic re-performed. Christian Paul fängt jetzt bei Pina Bausch an. Es ist also ein totaler Crossover. Die Tänzer habe ich mir übrigens gezielt ausgesucht. Es gab kein Vortanzen. Wir kannten uns vorher schon, haben gemeinsame Interessen innerhalb der Kunst. Das verbindet uns.

Die Tänzer sind alle vier klassisch ausgebildet. Hat das für dich, die du nicht aus dem Bereich kommt, eine Schwierigkeit bei der gemeinsamen Arbeit dargestellt?
Nein, überhaupt nicht. Die Vier haben alle großes Vertrauen in mich und meine Arbeit. Wir begegnen uns auf Augenhöhe. Und ich selber habe auch gar nicht das Gefühl, dass ich das nie zuvor gemacht habe. Vor zehn Jahren hätte ich mir so ein Projekt nicht zugetraut. Bei der choreografischen Arbeit hilft mir die Ausbildung an der Akademie übrigens sehr. Dort habe ich gelernt, Dinge zu sehen, aber auch zu hinterfragen. Allerdings merke ich erst jetzt, wo ich älter werde, wie weit ich da eigentlich bin. Alle anderen Dinge, die ich künstlerisch gemacht habe, spielen in die choreografische Arbeit ganz stark rein.

Inhaltlich geht es in „Ein Abend für Tanz / Vierx1“ um die Beziehung zwischen Mann und Frau. Vierx1 meint dabei vier unterschiedliche Momente innerhalb einer Beziehung: die Annäherung, das Begehren, das Zusammensein, das Ende. Warum hast du dich für dieses Thema entschieden?
Das Stück gibt natürlich keine Lösungen für die Beziehungen zwischen Mann/Frau, Frau/Frau, Mann/Mann. Es sind eher fragmentarisch angerissene Momente, die im Kleinen, Alltäglichen anfangen und tänzerisch weitergeführt werden. Das heißt, du kannst etwas entdecken, was dir einen Moment lang bekannt vorkommt, dann aber schon wieder abstrahiert wird. Ich arbeite wie gesagt nicht mit Lösungen oder direkten Verweisen auf etwas. Das ist so, wie wenn du mit ganz vielen Leuten im Bus bist. Von überall her. Verschiedene Größen, Farben, Nationalitäten. Du bist in dem Augenblick, wo du von einer Haltestelle zur nächsten fährst, mit denen zusammen – ob du willst oder nicht. Es ist ein Arrangement. Was passiert in diesem Raum, wo du gefangen bist? Das ist es, worum es mir bei dem Stück geht. Es fängt bei etwas ganz Profanen an und es wird dann mathematisch hochstilisiert und dabei ganz streng in seiner körperlichen Ausführung. Es ist nicht theatralisch, sondern Tanz.

Proben in der Bergerkirche, Foto: Daniela Georgieva

Wie läuft die Arbeit mit den Tänzern konkret ab?
Die Tänzer sind noch ziemlich jung. Also auch im Gegensatz zu mir, ich bin ja schon 40. Aus den anderen Projekten sind sie gewöhnt, dass ihnen jemand genau sagt, wie sie Dinge machen sollen. Ich hingegen gebe ihnen sehr viel Freiraum. Wir entwickeln die Dinge zusammen, ich setze nicht nur meinen eigenen Kopf durch. Natürlich möchte ich aber, dass das Ganze am Ende meinen Strich hat.

Aufgeführt wird das Stück in der Bergerkirche in der Altstadt. Es ist nicht das erste Mal, dass du eine Kirche als Ort des Geschehens wählst. Deine Performance „Quiet please“ fand in Sankt Peter in Köln statt. Was fasziniert dich an Kirchen?
Eine Kirche als Ort hat grundsätzlich ja immer etwas Geheimnisvolles, Mystisches und Spirituelles. Ich betrete eine Kirche. Ich muss nichts sagen. Aber es ist etwas da. Ich weiß nicht genau, was es ist, aber es ist da. Beim Tanz ist das ähnlich. Für mich.

Jetzt haben wir über die Performer gesprochen. Über den Ort der Aufführung. Das dritte, wichtige Element in dem Zusammenspiel ist die Musik. Die kommt von dem Düsseldorfer Elektronik-Musiker Thomas Klein alias Sølyst.
Genau. Thomas hat für das Stück sein Sølyst-Album, das bisher noch nicht veröffentlicht ist, umkomponiert für unsere tänzerische Arbeit. Ich schätze Thomas als Musiker sehr und natürlich hilft mir seine Erfahrung mit Bühnenarbeit, er komponiert ja schon lange für Bühnenproduktionen und hat daher einen Bezug zu Körper, Tanz und Raum. Ich muss ihm also nicht viel erklären. Wir verstehen uns blind. Er hat ein Gefühl für mich als Künstlerin und ich für ihn. Das ist das Entscheidende.

12.-14.9., jeweils 20 Uhr, Bergerkirche, Düsseldorf

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