Mystischer Ort. Das Groov’sche Loch

Ich behaupte ja gerne von mir, dass ich in Düsseldorf und Umgebung jeden Stein kenne, schließlich lebe ich seit mehr als fünf Jahrzehnten hier. Dazu kommt, dass ich mich viel mit dem Rad und zu Fuß bewege. Im Gegensatz zu Autofahrenden kann ich also jederzeit, wenn mir etwas vielversprechend erscheint, links und rechts abbiegen, auch mal gegen die Fahrtrichtung einer Einbahnstraße oder gar querfeldein. Auf diese Weise finde ich immer wieder ausgesprochen schöne, ausgesprochen spannende oder faszinierende Gegenden.

Zum Groov’schen Loch fand ich hingegen durch den Tipp einer Freundin, die den Hinweis ihrerseits von einer umtriebigen Radlerin bekommen hatte. „Muss ich hin“, sagte ich. „Ja, musst du hin“, sagte sie. Von der Düsseldorfer Stadtmitte aus seien es ziemlich genau zehn Kilometer bis zum Groov’schen Loch in Neuss. Eine gute Feierabendtour also. Am vergangenen Freitag brach ich auf und steuerte mein Zweirad zunächst gen Josef-Kardinal-Frings-Brücke und von dort aus weiter zum kleinen Neusser Jachthafen. Gleich dahinter mündet die Erft in den Rhein. Ich folgte dem Lauf des kleineren Flüsschens in Richtung Museum Insel Hombroich. Auf Höhe Schloss Rauschenberg bog ich rechts ab, überquerte die Erft und wenig später den Nixhütter Weg. „Du musst der Obererft folgen“, hatte die Freundin, die den Tipp gab, geraten. Das tat ich, unterquerte die A46, woraufhin es etwas knifflig wurde. Im Reuschenberger Busch, den ich nunmehr erreicht hatte, verlaufen die Spazierwege nämlich kreuz und quer – und ich verlor ratzfatz die Orientierung, nicht aber die Geduld. Nach einer kurzen Irrfahrt, machte ich es wie immer in derlei Fällen: Ich heftete mich an die Fersen von Ortskundigen. Es war mittlerweile früher Abend. Kurz vor meinem Aufbruch gen Groov’sches Loch war einer von zahlreichen Regengüssen der vergangenen Wochen niedergegangen. Der Waldboden roch entsprechend intensiv. Das Spaziergängerpaar, dem ich folgte, hatte einen Hund dabei, sie hatten es nicht eilig. Ständig blieben sie stehen, um von den Brombeeren, die hier überall wachsen, zu kosten. Der Pfad wurde schmaler, die Brombeerhecken dichter und irgendwann tauchte zwischen den Bäumen das Groov’sche Loch auf. Ein mystischer Ort, der an Schottland gemahnte. An Feen, an Kobolde, an Ungeheuer, die aus der Tiefe kommen und jeden und jede verschlingen.

Tatsächlich hat man am Groov’schen Loch von Nessi noch nie gehört. Und auch von ausgebüchsten Kaimanen, die sich zum Sommerloch-Superstar aufschwingen, ist nichts überliefert. Im Groov’schen Loch wurde früher Ton abgebaut. Als die Förderung eingestellt wurde, flutete man die Grube und es entstand eine zauberhafte Auenlandschaft, die seitdem Heimat von zahlreichen Vögeln, Amphibien und Fischen ist. Gespeist wird das Feuchtgebiet durch die Wassereinleitung aus der Obererft, die über einen Schieber gesteuert wird. Die Fische mussten 2015 zwischenzeitlich ausquartiert werden. Als das Epanchoir, eine Wasserkreuzung von Nordkanal und Obererft, rekonstruiert wurde, senkte man der Wasserstand der Obererft künstlich ab. Das Loch geriet daraufhin zu einer Schlammwüste, aus der Angler in einer nächtlichen Rettungsaktion 200 Karpfen, Welse und Karauschen retteten. Eine ähnliche Situation gab es im vergangenen Sommer, als das Loch abermals auszutrocknen drohte. Damals griffen beherzte Anwohner:innen ein.

Heute tummeln sich im und um das Groov’sche Loch wieder zahlreiche Tiere. Gänse, Enten, Graureiher. Auch Eisvögel sollen regelmäßig gesichtet werden. Auf einer Bank am Ufer sitzen vier Jugendliche und hören elektronische Musik, während über ihnen Fledermäuse ihre wilden Bahnen am Himmel ziehen. Ein paar Meter weiter schnüffelt ein Hund eingehend den Waldboden ab. Wenn das leise Rauschen der nahen Autobahn nicht wäre, könnte man glatt meinen, man sei im Paradies gelandet.

1 Kommentar

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Wunderbare Geschichte und dachte zuerst, kenne ich auch nicht.

Alternativ wäre ich einfach über die Südbrücke weiter gerade aus gefahren.
Vorbei an der ehemaligen Rennbahn auf der Stresemannallee bis zur Nordkanalallee. Dort wurde auch ein Stück unserer französischen Geschihcte des Nordkanals wieder hergestellt, dem Epanchoir.
Schräg gegenüber beginnt der Selikumer Weg und dem folgt man einfach bis zur Eisenbahnbrücke und kommt dann zur Obererft.

Vielen Dank für diese tolle Geschichte

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