Andreas van der Wingen im Interview – „Wir haben uns das Phlegma bewahrt“

Andreas van der Wingen ist Gründungsmitglied der Düsseldorfer Bands Kiesgroup und Dativ Boys. Er spielte acht Jahre lang den Bass bei der Punkband Oiro, legt regelmäßig an unterschiedlichen Orten Vinyl auf und hat unter dem Titel „Erdenrund“ eine monatliche Sendung bei ByteFM. Offenbar ist er mit all dem aber keinesfalls ausgelastet und biegt jetzt mit einem neuen Projekt um die Ecke. Van der Brügge heißt es, am 22. Mai erscheint die erste Single unter dem Titel „Alle Sirenen der Stadt“. theycallitkleinparis hat mit van der Wingen, Straßenname: Vander, gesprochen.

Du bist Gründungsmitglied von Kiesgroup und den Dativ Boys. Nun gehst du mit einem weiteren musikalischen Projekt an die Öffentlichkeit. Van der Brügge. Wie groß ist die Aufregung?
Van der Brügge sollte ursprünglich ein sehr unaufgeregtes Ambient-Projekt werden. Ich glaub’, dass wir uns das Phlegma bewahrt haben.

Van der Brügge machst du zusammen mit Pascal Fuhlbrügge. Der hat 1988 zusammen mit Carol von Rautenkranz das Label L’Age d’Or gegründet, auf dem viele Bands der „Hamburger Schule“ veröffentlichten. Für dich als Musiker ein wichtiger Einfluss?
Selbstverständlich. Immerhin habe ich jahrelang versucht, diesen einzigartigen und doch so umfangreichen Sound nach Düsseldorf zu transportieren.

Seit wann kennt ihr euch, Pascal und du?
Getroffen haben wir uns zum ersten Mal, als ich mit Kiesgroup im „Pudel“ in Hamburg gespielt habe. Pascal hat an dem Abend aufgelegt. Joachim und Fynn von der Band „Der Bürgermeister der Nacht“ hatten uns einander vorgestellt. Ich fand den sofort ganz gut.

Wie kam es dazu, dass ihr musikalisch gemeinsame Sache macht?
Das Schlagwort war tatsächlich „Ambient“. Wir arbeiten ja auch auf Distanz, da Pascal mit Familie mittlerweile im norddeutschen Großenrade auf dem Land wohnt. Das ist von Hamburg aus noch mal eine Stunde Zugfahrt entfernt. Heißt also, dass wir uns überwiegend postalisch austauschen. Eine ideale Voraussetzung für unaufgeregten Ambient übrigens. Zusammen aufgenommen haben wir bislang erst einmal bei Pascal zuhause.

Pascal war unter anderem Gitarrist bei der Band Kolossale Jugend. Später tendierte er nach einem einschneidenden Erlebnis im Tresor in Berlin stärker zur elektronischen Musik. Wie muss man sich euren gemeinsamen Sound vorstellen?
Hintergrund und Entwicklung sind bei uns ja schon ähnlich, allerdings sind wir auf unserer Suche nach musikalischer Identität noch von vielen verschwommenen Bildern umgeben. Pascal nennt als seinen Einfluss gerne François de Roubaix, ich denke da zum Beispiel an Takashi Kokubo.

Am 22.5. erscheint eure Single „Alle Sirenen der Stadt“, einmal mehr ein großartiger Songtext aus deiner Feder. Wie läuft die Textarbeit bei dir ab?
Wenn ich nichts zu erzählen habe, setze ich Bausteine zusammen und verbinde sie mit irgendwelchen Ungeniertheiten aus meinem Subconscient.

Wie viel Material von Van der Brügge gibt es derzeit? Könnte in Zukunft ein Album kommen?
Klar. Aufnahmen finden in Düsseldorf und Großenrade statt, ein Album ist fest geplant. Je länger die einzelnen Tracks sind, desto eher wird es fertig.

Das Video zu „Alle Sirenen der Stadt“ habt ihr in Brüssel aufgenommen. Habt ihr die Stadt bewusst dafür ausgesucht und, falls ja, warum?
Kameramann und Filmemacher Holger Hahn, mit dem ich schon diverse Male zusammengearbeitet habe, hat sich Brüssel als neue Wahlheimat ausgesucht. Da ich schon lange nicht mehr dort war, drehten wir in Brüssel. Wir sind dann ohne Skript einen Samstag lang mit der Métro de Bruxelles durch die Gegend gefahren und immer dort ausgestiegen, wo es nötig war. Konnte ja nur gut werden.

Ich habe den Eindruck, dass im Moment in Düsseldorf musikalisch einige interessante Projekte entstehen. Das Solo-Piano-Album von Thilo Schölpen zum Beispiel. Aber auch das Projekt Quent mit Lars Schmidt von Subterfuge. Nun Van der Brügge. Welche Kollegen aus Düsseldorf hörst du gerne?
Thilo Schölpen hat ja eine Zeit lang bei Kiesgroup gespielt und mir später dann auch Klavierunterricht gegeben. Ein toller Typ und ein sehr guter Pianist, dessen neues Album ausgezeichnet geworden ist.

Neben der Musik stehst du seit vielen Jahren auch als Schauspieler auf der Bühne. Nun sind die Theater ja derzeit geschlossen. Trotzdem die Frage: Ist in dem Bereich von dir auch in Zukunft etwas Neues zu erwarten?
Ich bin kein Schauspieler und Theater mache ich nur, wenn man mich lässt.

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