Die großen Themen des Lebens #1: Fußball (2/2)

Der erste Teil dieses Gesprächs ist am 19. Oktober erschienen.


Wir sitzen am Personaltisch. Vor Mario steht eine Jumbo-Tasse mit Früchtetee. Daneben wirbt der Slogan „Yoga für Jungs“ für eine Tai Chi-Schule auf der Himmelgeister Straße. Mario macht seit vielen Jahren Karate. Im Moment pausiert er. Wegen des Knies.

Hast du am Spieltag besondere Rituale? Immer eine Haltestelle zu früh aussteigen? Immer eine Wurst vom Stadiongrill essen, so was?

Wenn ich in Mailand bin, treffe ich mich vor dem Spiel immer mit meinem Freund Alberto.
(Er zückt sein Handy, wischt die Fotos durch und zeigt ein Bild von Alberto, der auf einem in die Jahre gekommenen Foto an den jungen Stefan Derrick erinnert. Markante 70er-Jahre-Brille. Schmales Gesicht. Auffällig füllige Lippen.) Wir gehen immer in das gleiche Restaurant in Brera. Da geht übrigens auch Thohir hin, der Präsident von Inter. Ein Indonesier.

Und worüber sprecht ihr dann, Alberto und du, nur über Fußball?
Ja, wir sprechen nur über Fußball. (Mario grinst. Natürlich sprechen sie nicht nur über Fußball. Sondern vermutlich auch über Politik. Über Familie. Und über Frauen.)

Was macht Alberto aus?
Aberto (jetzt kommt Mario auf Touren, seine Stimme wird lauter, die Augen leuchten) e imbattibile. Unschlagbar. Er hat so viel Herz. Und Humor. Deshalb lieben ihn auch die Frauen.

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Mario und Alberto, Foto: privat

Wie habt ihr euch kennengelernt?
Das war am 10. Juli 1982, dem Tag vor dem WM-Finale Italien gegen Deutschland. Ich war in Madrid, im Hotel der deutschen Mannschaft. Eike Immel hatte mir zwei Karten versprochen, die wollte ich abholen. Immel hat ein großes Herz, deshalb ist er heute auch pleite. In der Hotellobby traf ich Alberto. Wir kamen ins Gespräch. Alberto ist Sport-Journalist. Er arbeitet für den Corriere della Sera. Als er mitbekam, dass ich Italiener bin und deutsch spreche, bat er mich, ein Interview mit dem damaligen deutschen Bundestrainer Jupp Derwall zu dolmetschen. Das habe ich dann auch gemacht. Heute ist Alberto einer meiner besten Freunde. In Italien ist er eine lebende Legende. Und er hat Mut. Er traut sich, Berlusconi öffentlich zu kritisieren.

Ist er denn auch Fan des AC Mailand?
Nein, Alberto ist Lazio-Fan, Lazio Rom.

Habt ihr dann manchmal Streit wegen Fußball?
Nein, nie. Aberto sagt, dass ich einer der wenigen AC-Fans bin, die Sachverstand haben. (Vielleicht hat Mario mehr als das. Mehr als Sachverstand. Vielleicht hat er so was wie das zweite Gesicht. Jedenfalls verrät er mir während des Gesprächs, wer der Nachfolger von Pep Guardiola bei Bayern München werden wird. Er ist sich ganz sicher. Aber schreiben darf ich es nicht.)

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Mario und Gattuso, Foto: privat

Du bist seit über 40 Jahren Fußball-Fan, hast im Laufe der Zeit viele Spieler auch persönlich kennengelernt. Wer hat dich als Mensch beeindruckt?
Gattuso, Maldini, Pirlo, alle drei sehr ruhige Typen, bescheiden und bodenständig. Frank Rijkaard auch. (Am Nebentisch regt sich Protest. Ausgerechnet Rijkaard, der in Deutschland immer als das Lama in Erinnerung bleiben wird.) Als Rijkaard sein letztes Spiel für Ajax gemacht hat, hat er mich sogar nach Amsterdam eingeladen. Mit Hotelübernachtung und Tickets fürs Spiel. (Ein höflicher Japaner betritt das Café und kommt an unseren Tisch. „Mario, hast du kurz Zeit? Ich habe was für dich.“ Eine Art Stütze für das lädierte Knie. Mario ist begeistert. Der Japaner entpuppt sich als Marios Nachbar. Tokio, wie die Stadt, nur anders betont, auf dem i. Tokio hat mehrere Jahre in Italien Fußball gespielt, in der dritten Liga. Heute kickt er bei einem deutschen Viertligisten im Sauerland.)

Dein Lieblingsspieler?
Maldini. (Kommt wie aus der Pistole geschossen. Kein Zweifel, es gibt nur einen.) Vom dem habe ich auch die meisten Trikots. Er trägt die Nummer 3.

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Mario mit Arrigo Sacchi, Foto: privat

Der weltbeste Trainer?
Arrigo Sacchi. Der hat den Fußball revolutioniert, Offensiv-Fußball spielen lassen beim AC Mailand. Hennes Weisweiler hat aus Gladbach das gemacht, was Gladbach heute noch ist – in ganz Europa. Ernst Happel und der Schwede Nils Liedholm sind auch Trainer, die den modernen Fußball geprägt haben. An die kommt kein Hitzfeld ran. Und auch kein Pep Guardiola. Der hat nur die besten Spieler.

Apropos beste Spieler. Wolltest du als Kind eigentlich wie so viele Fußball-Profi werden?
Nein, nie. Ich wollte Sport-Journalist werden. Das war mein Traum.

Aber du hast doch in der Jugend von Fortuna Düsseldorf gespielt.
Ja, vier Jahre, von zehn bis 14.

Auf welcher Position?
Immer im Angriff. Vorne rechts.

Und warum hast du aufgehört?
Weil es Stunk gab. Da hatte ich dann keinen Bock mehr.

Das Interview ist die erste Folge einer Reihe monothematischer Gespräche über die großen Themen des Lebens. Liebe. Arbeit. Familie. Glück. Geld. Über Derartiges spricht normalerweise eher Richard David Precht mit der „Zeit“ oder der „SZ“. Aber auch Mario macht sich so seine Gedanken. Und er traut sich, die Dinge beim Namen zu nennen.

Außerdem in dieser Reihe erschienen:

#2: Tod (1/2)

#2: Tod (2/2)

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