Intelligente Flecken, blöde Flecken. Martha Jungwirth in der Kunsthalle

Landschaften, Tiere, ein Haus, Lady Gaga oder einfach nur eine Gruppe von Zeichen aus der Zeit der Pharaonen – Martha Jungwirths Malerei ist enorm vielfältig. Oft erscheint sie in einem leeren Feld, in einem endlosen Raum. Die Künstlerin verwendet besondere Malgründe wie Pappe, braunes oder liniertes Papier, Bilderrückseiten, alte Stadtpläne oder Kontobücher: Oberflächen, die eine Geschichte suggerieren. Und doch ist schlussendlich alles bei ihr nur ein Fleck: „ein fleck ist ein fleck ist ein fleck ein intelligenter oder ein blöder, sonst nichts“, wie sie einmal sagte.

Ohne Titel, aus der Serie „Spittelauer Lände“, 1993
Aquarell auf Papier, 177 x 204 cm
Privatsammlung Wien, © VG Bild-Kunst, Bonn 2022, Foto: Lisa Rastl

Martha Jungwirth (* 1940 in Wien) nimmt mit ihren poetisch-abstrakten Aquarellen und Ölbildern, ihrem gestisch-malerischen Stil in der österreichischen Malerei eine singuläre Position ein. Von 1956 bis 1963 studierte sie an der Universität für angewandte Kunst Wien und stellte zunächst mit der Künstlergruppe Wirklichkeiten aus, neben fünf männlichen Kollegen. 1977 wurde sie zur documenta 6 eingeladen.

Nach diesen frühen Erfolgen wurde die Malerin jahrzehntelang von der Kunstwelt weitgehend übersehen oder ignoriert. Währenddessen arbeitete sie kontinuierlich und fern der öffentlichen Aufmerksamkeit in ihrem Wiener Atelier weiter. Seit der von Albert Oehlen kuratierten Gruppenausstellung „Schönes Klosterneuburg“ im Essl Museum 2010, wo der Künstlerin ein eigener Raum gewidmet war, wuchs das internationale Interesse an ihren Arbeiten.

Heute gilt Martha Jungwirth als wichtigste Vertreterin der Generation zwischen den Wiener Aktionisten und Franz West, dessen Atelier sie übernahm. In den letzten sechs Jahrzehnten entwickelte die Künstlerin ihren ganz eigenen Stil, der Kraft und Konzentration mit Überschwang und Emotion verbindet und einen einzigartigen Ansatz zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit darstellt. Dieser stützt sich auf den Körper und die genau beobachtete Wahrnehmung der Welt um sie herum.

Jungwirths Werke sind in einem intuitiven Raum angesiedelt und damit unabhängig von bestehenden Konzepten, Konventionen und Maßstäben. Die Kompositionen offenbaren sich ihr während des Malprozesses, den sie selbst als „Abenteuer“ bezeichnet, wobei sie im Zusammenspiel mit ihren Materialien Werke schafft, die zwischen Zufall und Absicht angesiedelt sind.

Tutanchamun (Triptychon), 2021
Öl auf Papier auf Leinwand, 238 x 900 x 2,5 cm, Privatsammlung Wien,
© VG Bild-Kunst, Bonn 2022, Foto: Katja Illner

Gerade für den Akademiestandort und die zahlreichen kunsthistorischen Bezüge in die Geschichte und Gegenwart der Malerei in Düsseldorf ist das Werk von Martha Jungwirth eine enorme Bereicherung und Erweiterung eines Forschungsfeldes zum Bild. Die Räume der Kunsthalle ermöglichen es, die bis zu neun Meter langen, außergewöhnlichen Gemälde der Malerin erstmalig in diesem Ausmaß zu präsentieren. Denn trotz ihrer Bedeutung für die österreichische Kunstgeschichte ist die Künstlerin, der im November 2021 der Große Österreichische Staatspreis verliehen wurde, einem breiten Publikum in Deutschland bisher wenig bekannt. Das könnte, nein, das sollte sich ändern.

Martha Jungwirth: bis 20.11. Kunsthalle, Düsseldorf, zur Ausstellung erscheint voraussichtlich im November eine umfangreiche Publikation

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