Angelina… verzweifelt gesucht

Stanislav Dyakov hat auf der Datingplattform Tinder viele Fotos von Frauen gesehen. Darunter eins, das ihn nicht mehr loslässt. Das von Angelina. Um sie zu finden, hat der 21-Jährige eine ungewöhnliche Aktion gestartet.

Als die Glocken von St. Maria Rosenkranz zweimal schlagen, wartet Dyakov schon vor der italienischen Konditorei in Wersten. Er war überpünktlich am Treffpunkt. Vor dem Schaufenster der Konditorei, auf deren Scheibe ein Herz prangt, liegt die Werstener Dorfstraße im Schein der Laternen ruhig da. Drinnen läuft ein italienischer Radiosender, in der Auslage Dolci, Cornetti, die Reis-Bällchen Arancini und vieles mehr. Dyakov bestellt erst mal nichts und nimmt am einzigen Tisch Platz. Obwohl er gleich um die Ecke wohnt, bei seinen Eltern, war er noch nie hier. Er sei gerne zuhause, sagt er: „Ich weiß, dass das ein bisschen komisch klingt, aber ich lerne lieber fürs Studium als in Clubs zu gehen. Ich liebe die Ruhe, genieße die Einsamkeit.“ Zumindest das mit der Einsamkeit scheint nicht in jedem Moment zu stimmen. Vor einigen Wochen hat Dyakov, den Freunde „Stani“ nennen, sich die Tinder-App auf dem Handy installiert. In einem Meer aus Wünschen, Hoffnungen und Träumen stieß er ziemlich schnell auf jene Frau, um die sich seitdem seine Gedanken drehen: Angelina. Viel gab die 20-Jährige in ihrem Profil nicht über sich preis. Aber ihr Foto gefiel Dyakov sehr: „Ein bezauberndes Mädchen. Natürlich schön.“ Dyakov beschreibt sich selbst, was potenzielle Partnerinnen angeht, als durchaus wählerisch, er verliebe sich selten. Angelinas Bild aber wischte er sofort nach rechts. „Swipen“ heißt das im Tinder-Jargon. Rechts bedeutet, dass man Interesse hat. Wenn zwei Menschen das Bild des jeweils anderen nach rechts swipen, haben sie ein sogenanntes Match. Sie können sich dann kontaktieren, verabreden und, wer weiß, vielleicht irgendwann lieben.

Angelina und Stanislav hatten kein Match. Sie schrieben sich keine Nachrichten, telefonierten nicht stundenlang und trafen sich nicht. Aber der gebürtige Bulgare warf die Flinte nicht ins Korn. Er wollte sein Schicksal nicht dem Tinder-Algorithmus zu überlassen, sondern die Dinge selbst in die Hand nehmen. Dyakov verfasste also einen Text, ließ ihn in einem Copyshop zwanzigmal ausdrucken und klebte die Zettel an Laternenmasten, Verkehrsschilder und Stromkästen in Wersten. Gut möglich, dass Angelina ihm zumindest räumlich bereits sehr nah war. Schließlich hatte Tinder ihren Aufenthaltsort nur einen Kilometer von seinem entfernt angezeigt. Als er dabei war, einen der Zettel anzubringen, sprach ihn ein Passant an. Ob er seine Katze suche, wollte der wissen. Dyakov bejahte, eine Notlüge, „mir was das Ganze ein bisschen peinlich“. Der Mann blieb stehen und las den Text des Aushangs aufmerksam. Dann sagte er: „Finde ich gut. Ist doch eine Geste, die nicht alltäglich ist. Ich wünsche dir viel Erfolg.“

In den kommenden Tagen erreichten Dyakov unter der Mailadresse, die er eigens für die Suchaktion eingerichtet hatte, auch andere Reaktionen. „Wenn Angelina Interesse hätte, dann hätte sie dich gematcht“, schrieb einer ungefragt. Ein anderer: „Bruder, sie hat dich nicht rechts gewischt. Lass es gut sein.“ Aber Dyakov wollte es nicht gut sein lassen. Er hatte einen Screenshot von Angelinas Profil-Foto gemacht, den er sich immer wieder anschaute. Irgendwann war es dann so weit. Er bekam tatsächlich eine Mail von ihr: „Ich möchte dich ungerne enttäuschen, falls du nicht mich suchst, aber die Beschreibung passt leider“, schrieb Angelina, 20, aus Düsseldorf. „Schick mir doch mal ein Bild von der Süßen und ich sag dir, ob ich es bin.“ Und, war sie es? Dyakov schüttelt den Kopf. „Nein, leider nicht.“

In dem italienischen Café in Wersten läuft jetzt romantischer Pop. Dyakov hat immer noch nichts bestellt. „Dancing in the dark/With you beetween my arms“ singt Ed Shearan aus dem Radio, aber so weit ist der Protagonist dieser Geschichte noch nicht. Einige Wochen, nachdem er die Aushänge aufgehängt hat, sind viele bereits wieder verschwunden. Dyakov hat Angelina nicht gefunden. Aber er denkt immer noch an sie. Und, wer weiß, vielleicht klappt es ja über diesen Artikel.

Wer Stanislav bei der Suche nach Angelina helfen kann, meldet sich unter salut@theycallitkleinparis.de.

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