Digital ist besser? Das Festival „die digitale“

Dass wir in verrückten Zeiten leben, ist ja nun wirklich nichts Neues. Es gibt aber immer wieder Menschen, die dem Ganzen die Krone aufsetzen. Anthony Levandowski zum Beispiel. Der Robotikexperte, der in den USA für unterschiedliche Unternehmen an der Entwicklung autonom fahrender Autos gearbeitet hat, hat eine Kirche gegründet. Way of the Future heißt sie und ihr Gott ist eine künstliche Intelligenz. Levandowski ist nicht der Einzige, der glaubt, dass ein System, das eine Milliarde mal klüger ist als der klügste Mensch, in Zukunft die Geschicke der Menschheit lenken könnte. Vielen anderen dürfte eine derartige Vorstellung hingegen eher Angst machen. Aber die Digitalisierung hat uns gelehrt, dass vieles, was uns noch unglaublich erscheint, längst möglich ist. Deshalb gilt es immer wieder abzuwägen. Über für und wider. Chancen und Risiken. Das Festival die digitale steht auch bei der mittlerweile dritten Ausgabe für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema. Unter dem diesjährigen Motto „Digital Gods“ fragen Künstler, Musiker, Intellektuelle und Designer danach, wie viel Religion in der Digitalisierung steckt. Für das Programm verantwortlich zeichnen einmal mehr Werner Pillig und Peter Witt. Ersterer hat einst an der Kunstakademie bei Nam June Paik studiert. Witt, seines Zeichens Künstler und Germanist, war mal Vorsitzender des Kunst- und Kulturvereins Damenundherren. Kuratorischen Support erhält das Doppel von Wilko Austermann, Janine Bloess und Carsten Heisterkamp im Bereich Kunst, Stefan Jürke (Musik) sowie Katharina Drasdo (Kommunikation).

Was vor drei Jahren klein begann – damals dauerte die digitale lediglich vier Tage – ist mittlerweile auf ein etwas unübersichtliches Programm und einen Zeitraum von rund zwei Wochen angewachsen. Über 50 zeitgenössische, nationale und internationale Künstler aus den Bereichen Musik, Performance, Design und Bildende Kunst tummeln sich in mehr als 20 Locations der Stadt, darunter Weltkunstzimmer, Walzwerk Null, Sipgate, Kunstraum und Masterplan Studios. Im Zentrum des Ganzen steht die große Kunstausstellung „Digital Gods“ im Weltkunstzimmer, die am vergangenen Freitag mit einem Konzert von Pony eröffnet wurde und Werke von 26 Künstlern zeigt, darunter Pascal Sender, Constantin Wallhäuser, Anna Vogel oder Igor Simic.

Eher zufällig und en passant wird man mit der Arbeit von Klarissa Flückinger und Mahtola Wittmer konfrontiert. Die beiden Künstlerinnen aus der Schweiz ersetzen das Glockenläuten der altstädtischen Neanderkirche durch den Klingelton eines Smartphones. Im Gegensatz zu den Glocken, die gemeinhin die volle Stunde annoncieren, erklingt der Handyton noch bis zum 16. November unregelmäßig zehn mal täglich zwischen 10 und 20 Uhr. Ein Projekt, das nicht ausschließlich auf Gegenliebe stößt. Gleich der erste Beschwerdeanrufe ging ausgerechnet aus der nahen Kunsthalle ein. Auch einige Nachbarn waren nicht amused. Der Pfarrer der Neanderkirche lässt sich von derlei Gegenwind nicht beeindrucken. Er sieht das Ganze als eine Möglichkeit „wieder mit den Menschen in Dialog zu treten“. Eher dem Monolog frönt hingegen Haru Specks mit seinem Format Vinylpredigt. Am 23.11. ab 20 Uhr knöpft er sich in der Christuskirche das Thema „Digital Gods“ vor und wird dazu einmal mehr unterschiedlichste Hörbeispiele auf Vinyl mitbringen. Weniger Text und noch mehr Musik – und zwar live! – steht am 15.11. ab 21:30 Uhr abermals im Weltkunstzimmer auf dem Programm. Dort erwartet man den Briten Darren J. Cunningham aka Actress, der sich in den vergangenen fünf Jahren mit elektronischen Sounds jenseits des berechenbaren Mainstreams einen Namen gemacht hat und als heimlicher Star der diesjährigen digitale gelten muss. Nicht nur auf ihn darf man gespannt sein. Auch auf zahllose weitere Programmpunkte, darunter die Düsseldorfer Formation Bar, der Choreograf Ben J. Riepe oder das schräge Dada-Duo La Terza Madre. Eine komplette Übersicht gibt es naturellement auf der Festival-Website.

Bis 25.11. zahlreiche Veranstaltungsorte, Düsseldorf

 

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