Marianne Schirge im Interview – „Der Vernetzungsgedanke funktioniert“

Der Ort, an dem ein Künstler lebt und arbeitet, hat einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das Werk. Jeder Ort fühlt sich anders an. Weckt andere Gedanken. Inspirationen. Die meisten Künstler reisen dementsprechend gerne. Umso lieber natürlich, wenn die Kosten dafür übernommen werden. Die Stadt Düsseldorf betreibt schon seit vielen Jahren ein umfangreiches Austausch-Programm für bildende Künstler. Darüber hat theycallitkleinparis mit Kulturamtsleiterin Marianne Schirge gesprochen.

Wie viele Stipendien werden jährlich vergeben?
Die Anzahl variiert leicht. Zwischen 17 und 20 sind es pro Jahr. 2016 waren es zum Beispiel 16 Künstler, die Stipendien bekamen.

Seit wann gibt es das Angebot?
Alles begann 1987 mit Ein Hod, einem israelischen Künstlerdorf in der Nähe von Haifa. Dorthin werden heute noch vier bis fünf Künstler pro Jahr entsendet. 2003 begann die große Ära der Künstleraustauschprogramme, angefangen mit Moskau. Im Laufe der Folgejahre kamen dann Toulouse, Glasgow, Tampere, Belgrad, Zagreb, Bukarest, Chongqing und Vilnius hinzu. Von 2006 bis 2015 gab es ein Austauschprogramm mit Seoul, das ist aber mittlerweile ausgelaufen. Auch Osaka gibt es nicht mehr. Aktuell kooperiert Düsseldorf mit elf Städten weltweit. Der letzte Neuzugang war 2016 Palermo.

Wer kann sich um die Stipendien bewerben?
Über den Newsletter für bildende Künstler werden alle Künstler, die im Besitz der Künstlerkarte sind, über die aktuellen Angebote informiert. Die Künstlerkarte wird sowohl an Künstler vergeben, die ein abgeschlossenes Akademiestudium in freier Kunst absolviert haben als auch an Autodidakten, die regelmäßige Ausstellungen im arrivierten Kunstbetrieb nachweisen können. Darüber hinaus sind kommunikative Fähigkeiten, Fremdsprachenkenntnisse und soziale Kompetenz wünschenswert.

Wie viele Bewerbungen gehen jährlich beim Kulturamt ein?
100 bis 120.

Das heißt, die Chance eins der Stipendien zu bekommen, ist relativ groß. Nach welchen Kriterien werden die Stipendiaten denn dann ausgewählt?
Die Auswahl trifft eine Jury, bestehend aus Mitgliedern des Beirats für bildende Kunst und des Kulturamtes. Entscheidungskriterien sind unter anderen die künstlerische Qualität, aber auch die Vorgaben der einladenden Stadt. Nach Moskau reisen zum Beispiel ausschließlich Fotokünstler. Von einigen Austauschstädten wird eine Vorauswahl von drei bis fünf Künstler-Portfolios gewünscht. Die endgültige Auswahl trifft in diesen Fällen der jeweilige Kooperationspartner. Das ist bei Bukarest, Glasgow, Palermo, Tampere, Toulouse und Vilnius der Fall.

Und kann man sich immer wieder bewerben?
Ja.

Die Düsseldorfer Künstler arbeiten für zwei Monate in der jeweiligen Partnerstadt. Im Gegenzug kommen aus den Partnerstädten Künstler nach Düsseldorf. Wer übernimmt welche Kosten?
Die entsendende Stadt übernimmt die Reisekosten für den jeweiligen Künstler. Um Unterbringung, das Stipendium und die Kosten für die Ausstellung, die im Gastland organisiert wird, kümmert sich der Partner.

Wie muss man sich die Unterkünfte in den Partnerstädten vorstellen?
Das ist von Stadt zu Stadt sehr unterschiedlich. Im Moskau wohnen die Künstler zum Beispiel direkt im Multimedia Art Museum, also sehr urban. In Tampere sind sie hingegen etwas außerhalb untergebracht, in einem Häuschen, das von Seen und Wäldern umgeben ist. In Bukarest steht eine Unterkunft im Garten eines Palastes zur Verfügung.

Und wo werden die Gastkünstler in Düsseldorf untergebracht?
Die Stadt Düsseldorf unterhält vier städtische Gastateliers, eins im Atelierhaus auf der Sittarder Straße, zwei in der Golzheimer Siedlung und eins im Salzmannbau. Zusätzlich wird noch ein Gastatelier des Landes NRW bespielt, das ist auf der Aachener Straße.
Bestandteil des Austauschs ist es auch, dass die Gastkünstler in Düsseldorf eine Ausstellung haben.

Wo finden die statt?
Die meisten finden im Atelier am Eck im Salzmannbau statt. Manchmal wird aber auch im Wohnatelier ausgestellt. Oder wir nutzen andere Räume, wie zum Beispiel den onomato Künstlerverein in Flingern.

Bleiben Sie als Kulturamt mit den Gastkünstlern eigentlich längerfristig in Kontakt?
Das unterscheidet sich von Fall zu Fall. Viele Gastkünstler bleiben mit uns in Kontakt und kommen zum Teil auch wieder zurück nach Düsseldorf, da sie hier persönliche Kontakte geknüpft haben und somit manchmal auch weitere Kooperationen entstehen. Oftmals bilden sich kleine Netzwerke, die immer weiter ausgebaut werden. Der Vernetzungsgedanke funktioniert also.

Warum gibt es ein ähnliches Angebot eigentlich nicht für Musiker, Literaten oder darstellende Künstler?
Begonnen hat alles im Bereich der bildenden Kunst, hier ist das Programm auch immer weiter ausgebaut worden. Im Rahmen des Kulturentwicklungsplanes ist aber darüber nachzudenken, das Programm auf andere Sparten auszuweiten.

Gibt es eigentlich andere deutsche Städte, die ein ähnlich umfangreiches Kulturaustausch-Programm haben?
Zumindest ist uns das in der Form nicht bekannt.

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