Ted Green im Porträt. Manipulierter Zufall

Es war ein Buch, das ihn auf die Idee mit dem Würfel brachte. „Der Würfler“ von Luke Rhinehart. Ted Green las es in den 1990er Jahren. Damals studierte er an der Düsseldorfer Kunstakademie, in der Klasse von Markus Lüpertz. Green war zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr ganz jung. Aufgewachsen in Hermosa Beach nahe Los Angeles, hatte er sich nach der Schule zunächst für ein Studium der Biologie entschieden. „Eigentlich wollte ich aber zu der Zeit eher kiffen und saufen.“ Green lacht. Das naturwissenschaftliche Studium brach er nach zwei Jahren ab. In der Folge zog es ihn nach Europa. Der junge Mann war hin und weg von der alten Welt. Er beschloss zu bleiben, bewarb sich an der Düsseldorfer Kunstakademie. Da war er 24. Im ersten Versuch klappte es nicht mit der Aufnahme, aber Green blieb hartnäckig. Drei Jahre später nahm er sein Studium an der Eiskellerstraße auf. Schon damals beackerte er das Feld der Malerei, wenn auch noch mit herkömmlichen Methoden. Das sollte sich nach der Lektüre von „Der Würfler“ ändern.

Der Roman erzählt die Geschichte eines New Yorker Psychiaters, der von seinem Leben als Familienvater und Therapeut gelangweilt ist und beginnt, erste Entscheidungen dem Würfel zu überlassen. In der Folge gerät er in einen Sog. Schon bald diktiert der Würfel sein ganzes Leben. Green war fasziniert von der Idee, den Zufall entscheiden zu lassen. Wenn er das mit seiner Malerei kombinieren könnte, das wäre es doch. Er begann zu überlegen. Und weil er ein gründlicher und korrekter Mensch ist, zogen sich die Überlegungen ziemlich in die Länge. Bis er seine heutige Arbeitsweise komplett entwickelt hatte, vergingen viele Jahre. In der Zwischenzeit machte der US-Amerikaner seinen Abschluss als Meisterschüler von Markus Lüpertz, entfernte sich von der Malerei und kehrte letzten Endes doch zu ihr zurück.

2009 hatte er die Methode, mit der er bereits seit 2001 experimentierte, dann endlich ausgefeilt. Am Anfang des kreativen Prozesses steht heute ein herkömmlicher Würfel, wie man ihn beispielsweise vom „Mensch ärger dich nicht“ kennt. Mit dessen Hilfe bestimmt Green, in welche Richtung es geht. In seinem Kopf ist zu diesem Zeitpunkt keinerlei Idee vom Ergebnis. „Das brauche ich nicht, das will ich nicht“, sagt er. Zurzeit rund 150 Folien bilden die Grundlage der Greenschen Arbeiten. Darauf finden sich Formen, die aus Tintenklecksen entstanden sind. Oder aus abfotografierten Typos an der Immermannstraße, die er in der Folge am Rechner verfremdet hat. Welche Folie letzten Endes Verwendung findet, die Entscheidung trifft der Würfel. Zwei Arbeitsweisen sind in der Folge möglich. Entweder wird die Folie via Overhead-Projektor auf die Leinwand geworfen und die Formen mit dem Pinsel aufgebracht. Oder aus der Folie entsteht eine Schablone aus Papier, dann wird die Farbe aufgesprüht. Oft werden auch beide Arbeitsweisen in einem Bild kombiniert. Der Farbton wird übrigens ebenfalls via Zufallsprinzip vermittelt. Schicht für Schicht entsteht so im Laufe vieler Wochen ein fertiges Bild. Im Gegensatz zum Protagonisten in „Der Würfler“ macht Green den Zufall allerdings nicht zum Alleinherrscher über seine Arbeit. Zwar bestimmen die Ziffern 1 bis 6 Farbe, Form, Konsistenz der Farbe, ja sogar Pinselstrich, aber irgendwann ist dann auch gut. An einem bestimmten Punkt im Arbeitsprozess übernimmt der Künstler selbst das Ruder, widersetzt sich, wenn nötig, dem Würfel. Green spricht vom „manipulierten Zufall“. Er sagt: „Ich entscheide, wann der Würfel entscheidet.“

Eigentlich ist das, was Green macht, also Konzeptkunst. Er selber möchte sich dennoch nicht als Konzeptkünstler bezeichnen. Weil er das, was unter dem Label entsteht, häufig als steril und kühl empfindet. Und diese beiden Eigenschaften so gar nichts zu tun haben mit seinen farbenfrohen Gemälden, die Bezüge zu den aus der Street Art bekannten Stencils aufweisen und beizeiten auch an Tätowier-Kunst erinnern. Die aktuellen Werke weisen zudem meist eine strenge Symmetrie auf. Ältere erinnern mit ihren vielen, teilweise verbundenen Kreisen an Molekül-Ketten. Und das ist nicht die einzige Parallele zur Naturwissenschaft. Bis vor einigen Jahren fertigte Green von jedem Bild eine exakte Dokumentation an. Die auf den ersten Blick wirr anmutenden Reihen aus Ziffern und Buchstaben können schon mal mehrere Din-A4-Seiten füllen. Green heftet sie sorgfältig in einem pinken Ordner ab. Es ist nicht zuletzt dieser Ordner, der ein treffendes Bild abgibt für den Menschen und Künstler Ted Green. Da ist auf der einen Seite das Kontrollierte, das Korrekte, Archivarische. Und auf der anderen Seite das Ungezügelte, Wilde. Das eine kann ohne das andere nicht sein in der Kunst von Ted Green.

Ted Green, Florian Fausch. Viscous: bis 11.9. Kunstverein Duisburg, Weidenweg 10; Fr & Sa 17-20; So 14-18 Uhr

Am 11.9. findet ab 11 Uhr ein Künstlergespräch statt.

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