Verena Meis (Qualleninstitut) im Interview – „Das Foyer der Kammerspiele in ein Aquarium verwandeln“

Es war im Juni 2015, als Verena Meis und Kathrin Dreckmann im Salon des Amateurs ihr  Qualleninstitut aus der Taufe hoben. Die beiden Wissenschaftlerinnen haben es sich zur Aufgabe gemacht, das oft übersehene Potential der wässrigen Wesen offenzulegen. Im Rahmen der Nacht der Museen laden sie am 9. April nun das Publikum ein, in den FFT Kammerspielen allerhand über jene Tiere zu erfahren, derer man sich auch in der Popkultur sehr gerne bedient.

Bist du schon einmal von einer Qualle gebissen worden?
Bisher nicht. Vielleicht ist das auch ein Grund, weshalb ich mich wissenschaftlich wie künstlerisch noch an sie herantraue?! Einem besonders großen Exemplar bin ich an der Adria begegnet, als ich mit meinem neun Jahre jüngeren Bruder, der gerade erst schwimmen konnte, so weit wie möglich herausschwimmen wollte. Als ich die Qualle tief unter uns entdeckte, sagte ich nur „Und zurück“, um meinen Bruder nicht zu verängstigen. Er hatte die Qualle selbst aber auch schon entdeckt, und wir beide mussten so lachen, dass wir beinahe untergingen.

Wann habt ihr das Qualleninstitut gegründet?
Das Qualleninstitut wurde am 10. Juni 2015 von Kathrin Dreckmann und mir während unserer Lecture Performance „Discomedusae I“ im Salon des Amateurs ausgerufen.

Wie kamt ihr auf die Idee?
Die Idee entstand während eines gemeinsamen Mallorca-Urlaubs. Da „Quallenalarm“ herrschte, mieden wir gezwungenermaßen das Meer und bevorzugten notgedrungen den Pool. Ich schrieb gerade an einem Aufsatz und war auf der Suche nach einer Figur, die das Verhältnis von Körper und digitalem Raum auf der Bühne abbilden könnte. Da schien mir die Qualle, die bis zu 99 Prozent aus Wasser besteht, äußerst passend. So recherchierten wir zur Qualle – mehr aus Witz, weniger ernsthaft – und bemerkten aber recht schnell, was für spannende Tiere Quallen sind.

Was genau macht das Institut?
Angelehnt an die Maxime aus Günter Grass’ Roman „Die Rättin“: „Die Quallen müssen Vortritt haben!“ macht sich das Qualleninstitut zur Aufgabe, das übersehene Potential dieses Wesens offenzulegen. Wir begreifen das nurmehr als monströs-giftige Erscheinung abgetane Tier als Denk-, Sound- und Bewegungsfigur in Medien, Kunst und Wissenschaft. Dabei verorten wir uns ganz bewusst zwischen wissenschaftlicher und künstlerischer Praxis und arbeiten unter anderem sehr eng mit bildenden Künstlern, Komponisten und Choreographen zusammen. Das Institut hat keinen festen Standort, taucht mal hier auf und streckt seine Tentakel mal dort aus.

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Foto: Verena Meis

Wie verbreitet ist das Motiv Qualle in der Popkultur?
Erst kürzlich entdeckte ich den Polypen – eins der Entwicklungsstadien der Qualle – in Friedrich Wilhelm Murnaus Stummfilm „Nosferatu“. Quallen scheinen auch ein äußerst beliebtes Motiv auf Plattencovern zu sein: Ich fand sie u. a. auf der Platte „Kalender“ der Kölner Band „Locas in Love“ oder auch auf dem Cover des Albums „Aquarium“ von Isolation Berlin. Mein absoluter Favorit ist das Musikvideo zu „Oceania“. Dort umtanzen Quallen die Sängerin Björk. Und auch im Video zu „Ergiebig und erschwinglich“ von Hans Unstern ziehen Quallen durchs Bild. Oder „Element of Crime“ singen in „Michaela sagt“ die Zeilen: „Michaela sagt, sie kann Sonntage nicht leiden, denn da treiben alle Leute so wie Quallen durch den Tag.“ Und bei Felix Kubin heißt es: „Wir alle sind Qualle, das Meer ist niemals leer.“

Im Rahmen der „Nacht der Museen“ organisiert ihr in den FFT Kammerspielen den Abend „Von Quallen und Körpern“. Was erwartet die Besucher?
Kuratiert wurde der Abend vom FFT, wir steuern die Quallen, die anderen die Körper bei. In der „Nacht der Museen“ am 9. April werden wir das Foyer der Kammerspiele in visueller und akustischer Hinsicht in ein Aquarium verwandeln: Die Besucher erwarten fluoreszierende Quallen der Künstlerin Susanne Ristow, auf die Bewegungen der Qualle abgestimmter Sound von Sami Raboun (Ivory Clay) und Phillip Schulze (Weißer Westen), bewegte Quallen auf Leinwänden und Röhrenbildschirmen, Literarisches zur Qualle von Jules Verne über Paul Valéry bis Jan Wagner, einen musikalischen Beitrag der Singer/Songwriterin Marie Rauschen und (wenn’s klappt) auch Kulinarisches …

Es wird unter anderem zwei Performances von Absolventen des Studiengangs Physical Theatre geben, die sich um das Thema „Beziehungen“ drehen. Wie passt das nun wieder zu den Quallen?
Obwohl Quallen keine Knochen, kein Herz und kein Hirn besitzen, ist unser Körper ihnen nicht unähnlich: Nicht nur die Qualle, sondern auch der menschliche Körper enthält Kollagen. Außerdem könnte unser Auge, so vermutet man, seinen Ursprung in der Qualle haben. Und als Embryo durchlaufen wir ein ähnliches Stadium wie die Qualle und sind umgeben von (Frucht-)Wasser … In seinem Essay „Über den Tanz“ schreibt der französische Lyriker und Philosoph Paul Valéry, er habe den „unbeschwertesten, geschmeidigsten, wollüstigsten aller Tänze … auf einer Leinwand, auf der große Medusen gezeigt wurden“, gesehen. Der Tanz, die schwerelose Bewegung, der elastische Körper können ebenso verbindende Elemente von Quallen und Körpern sein. Wir bieten „Physical Theatre“ rund um die Qualle im Foyer, Daniel Kunze, Saskia Rudat, Mats Süthoff und die „Sächsische Schweiz“ Physical Theatre rund um den Körper auf der Bühne.

Wie schwer tut sich der Wissenschaftsbetrieb mit dem Qualleninstitut?
Das wird sich bei bevorstehenden Vorträgen und Projektanträgen noch zeigen. Das Qualleninstitut versteht sich aber ja vornehmlich als „(missing) link“ zwischen Wissenschaft und Kunst und bringt Schaffende beider Bereiche in vor allem künstlerischen Projekten zusammen.

Sind für die Zukunft weitere Veranstaltungen geplant?
Wir haben für die Zukunft ganz viel Qualle im Hirn. Für das Frühjahr respektive den Sommer ist zum Beispiel eine Kooperation mit dem DJ-Kollektiv „Tieftauchen“ angedacht. Auch auf „Discomedusae I-III“ werden weitere Ableger folgen. Die Aktionen können auf der Facebookseite des Qualleninstituts verfolgt werden.

9.4., ab 19 Uhr, Von Quallen und Körpern, FFT Kammerspiele, Düsseldorf

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