Stefan Schneider im Interview – „Gedanklich schon ein Jahr weiter“

Zwischen dem 17. Juni und 4. Juli verwandeln Künstler:innen aus NRW sowie von allen Kontinenten das Festivalzentrum des Theater der Welt am Gustaf-Gründgens-Platz in einen öffentlichen Performanceraum: Sie laden zu Begegnung, Vortrag, Klangsession, Film und Gespräch. Stefan Schneider zeichnet gemeinsam mit Chris Bruckmayr für das „Weltfoyer“-Programm verantwortlich. theycallitkleinparis hat kurz vor dem Start des Festivals mit dem Musiker und Künstler gesprochen.

Stefan, wie kam es dazu, dass du das Programm des „Weltfoyer“ mitgeplant hast?
Vor knapp zwei Jahren lud mich Stefan Schmidkte, der Kurator des TdW, ein, eine Reihe für das Festival zu konzipieren, die Live-Musik, Film und Gespräche zusammenbringt. Stefan war von 2011 bis 2013 Chefdramaturg am Düsseldorfer Schauspielhaus und kannte deshalb die Serie „Enthusiasm“, die ich damals gemeinsam mit Ludwig Haugk am Haus veranstaltet hatte. Er bezog sich bei seiner Einladung explizit darauf. Kurz nachdem er mich angefragt hatte, habe ich bereits damit begonnen, das Programm zu planen.

Der zweite Kurator neben dir ist Chris Bruckmayr, der das Festival „Ars Electronica“ in Linz organisiert. Auf Wunsch der Festivalleitung habt ihr das Programm für das „Weltfoyer“ allerdings unabhängig voneinander gestaltet. Wie sind eure jeweiligen Schwerpunkte? Was war dir beim Zusammenstellen deines Teils besonders wichtig?
Ich glaube, Chris hatte die Idee, ein reines DJ-Programm zu entwerfen. Durch seine Position in Linz hat er guten Zugang zu den Musikszenen in Bulgarien, Rumänien, dem ehemaligen Jugoslawien und so weiter. Er hat aus diesen Ländern ausschließlich weibliche Akteurinnen eingeladen. Ich habe, wie eingangs beschrieben, eher Wert darauf gelegt, die Abende möglichst genreübergreifend zu gestalten.

Das Festival „Theater der Welt“ findet alle drei Jahre in einer anderen Stadt oder Region Deutschlands statt. Die Düsseldorfer Ausgabe war ursprünglich bereits für 2020 geplant, musste aber dann aufgrund der Pandemie um ein Jahr verschoben werden. Auch 2021 war lange Zeit ungewiss, ob das TdW überhaupt jenseits des Digitalen stattfinden kann. Wie froh bist du darüber, dass das Ganze nun in Präsenz stattfinden kann?
Es ist zunächst mal schwierig, ein solches Festival komplett um ein Jahr zu verschieben und über diesen Zeitraum inhaltlich, organisatorisch und finanziell zu konservieren. Ich denke, dass alle beteiligten Künstler:innen heute gedanklich schon ein Jahr weiter sind und deshalb nun etwas aufführen, das bereits in der Vergangenheit liegt. Zudem gibt es natürlich noch viele Einschränkungen, mit denen man als Herausforderung umgehen muss. Es wird sicher einen gewissen Grad der Improvisation auf allen Ebenen – künstlerisch wie organisatorisch – geben. Aber froh sind wohl alle, dass das Festival keine rein digitale Veranstaltung wird.

Welche Künstler hast du fürs „Weltfoyer“ ausgesucht, kannst du da mal zwei, drei Beispiele geben?
Spirit Fest, eine bayrisch-britisch-japanische Band, spielt am 20. Juni im Schauspielhaus-Foyer. Neben ihren tollen Alben, auf denen sie eine sehr eigene Singer/Songwriter-Musik spielen, haben sie auch begonnen, Compilations mit japanischer Volksmusik zu veröffentlichen. Musik von, auch in Japan, sehr unbekannten Künstler:innen. Diese Arbeit über eine sehr verdeckte Szene geht mit ihrer eigenen Musik einher. Der gesamte Prozess gefällt mir sehr. George Odhiambo, der am 22. Juni im Schauspielhaus-Foyer gastiert, ist ein Produzent aus Nairobi. Er legt sehr tolle 7”-Singles aus Kenia auf. Unter anderem Benga-Musik, ein Stil, der in den Achtzigern sehr populär in Ostafrika war. Dazu arbeitet er für die KBC, das kenianische Radio. Zusammen mit Kaspar van de Water, der hier in Düsseldorf das Callshop Radio macht, gibt es ein Gespräch über die unterschiedlichen Positionen und Funktionen von Radio in Kenia und hier in Deutschland.

Du hast es schon kurz erwähnt: Für die Reihe „Gloomy and Glamourous“ hat Chris Bruckmayr Female DJs aus Ländern wie Jordanien, Japan, Serbien, Schottland, Russland, Peru oder Kanada eingeladen. Das sind sicher sehr tanzbare Sounds. Bei welcher Inzidenz dürfte denn im „Weltfoyer“ getanzt werden?
Wer kann das jetzt sagen? Ich kenne die aktuellen Regeln nicht, da sie sich ständig ändern.

Abgesehen von dem, was du selbst im Rahmen des Festivals machst: Was möchtest du dir unbedingt anschauen? Oder bleibt dafür gar keine Zeit?
Es bleibt eigentlich keine Zeit, aber ich gucke mir dennoch Sachen an. Auf jeden Fall DJ Borusiade alias Miruna Boruzescu aus Bukarest. Ihr Set findet am 1. Juli ab 23 Uhr in der Reihe „Gloomy and Glamourous“ statt.

Du hast als Mapstation während der Pandemie ein Album veröffentlicht, das du bisher live noch nicht vor Publikum präsentieren konntest. Wie schwierig war das für dich?
Über ein Jahr nicht live spielen zu können, war ein herber Verzicht. Es liegen so viele Arbeiten herum, die ich bisher nicht vollständig abschließen konnte. Bei mir baut eigentlich immer eine Arbeit auf die andere auf. Wenn nicht inhaltlich, dann auf jeden Fall als Erfahrung, die in andere Arbeiten früher oder später wieder einfließt. Dieser Prozess wurde durch die Pandemie komplett unterbrochen. Ich habe live eher selten ein aktuelles Album gespielt, da zwischen Produktion und Veröffentlichung meist schon ein Jahr liegt. Das heißt, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung gibt es schon wieder neues Material, das ich meistens vorziehe. Ich spiele live immer gerne Sachen, die ich selbst noch nicht genau kenne und kann.

Hegst du mittlerweile schon Pläne für Live-Auftritte?
Ja. Am 27.8. spiele ich im Museum Jeu de Paume in Paris.

Das komplette Programm des Weltfoyer gibt es hier.

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