Ela im Interview – „Düsseldorf ist mir manchmal zu langweilig, zu oberflächlich“

Sie sei die DNA von Düsseldorf, hat neulich jemand zu ihr gesagt. Und da ist tatsächlich was Wahres dran. 44 Jahre lang betrieb Gabriela Holscher-di Marco, die alle nur Ela nennen, ihren Avantgarde-Store in der Stadt am Rhein. Mitte Mai zieht es sie nun nach Hamburg. Für Düsseldorf bedeutet das nach Philipp Maiburg und Detlef Weinrich den nächsten hochkarätigen Abgang. Kurz bevor es gilt, Adieu zu sagen, hat theycallitkleinparis noch einmal mit Ela gesprochen.

Ela, Mitte Mai schließt du deinen Laden „Ela selected“ und gehst nach Hamburg. Wie erinnerst du deine Anfänge in Düsseldorf?
Ich habe den Laden im Oktober 1977 eröffnet, damals noch auf der Gustav-Poensgen-Straße. Nach Düsseldorf gezogen bin ich fünf Jahre früher, 1972. Ich stamme aus Heimerzheim, einem Dorf zwischen Bonn und der Eifel. Bevor ich nach Düsseldorf zog, habe ich ein halbes Jahr bei dem berühmten Friseur Alexandre in Paris gearbeitet. Ich komme ja aus einer Friseur-Dynastie. In Düsseldorf war ich zunächst im Friseursalon im „Breidenbacher Hof“, später bin ich zu einem Herrenfriseur auf der Oststraße gewechselt. Dort habe ich dann aufgehört, weil ich schwanger war. Als mein Sohn David, benannt nach meinem großen Helden David Bowie, drei Monate alt war, habe ich mich mit dem Laden selbständig gemacht. In der Gustav-Poensgen-Straße ging die Düsseldorfer Kunst- und Musikszene ein und aus. Jürgen Engler von den Krupps hat zum Beispiel häufig auf meinen Sohn aufgepasst. Wir waren alle eine große Familie. Das Geldverdienen stand für mich nie im Vordergrund. Mir ging es um Musik, Kunst und Mode. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Du hast dein ganzes Leben lang immer viel gearbeitet. Hast du zwischendurch mal an Ruhestand gedacht?
Nein, habe ich nicht. Ich mag das Wort Rente nicht. Und das Wort Ruhestand auch nicht. Genauso wenig wie Einbauküche. Ich hatte nie eine und ich werde auch in der neuen Wohnung in Hamburg keine haben.

Im Laufe von 44 Jahren bist du mit dem Laden mehrfach umgezogen. 21 Jahre warst du am Fürstenplatz, zuletzt zehn Jahre auf dem Gelände der Alten Liesegangfabrik. Wann hast du entschieden, hier in der Stadt einen Schlussstrich zu ziehen?
Im vergangenen Jahr, an meinem 71. Geburtstag. Anti (ihr Ehemann Antonio, Die Red.) und ich saßen am Strand von St. Peter Ording, nur wir beide. Ich habe dann zu ihm gesagt: „Nächstes Jahr um diese Zeit sitzen wir wieder hier – und kommen aber aus Hamburg. Wir ziehen nämlich um.“ Er antwortete: „Okay, ich bin dabei.“ Nach ein paar Minuten hat er dann nachgefragt: „Willst du das wirklich?“ Und ich: „Jetzt oder nie, Anti. Nächstes Jahr bin ich 72, danach will ich nicht mehr umziehen.“

Wie lange hast du über diese Entscheidung nachgedacht?
Ich habe immer mal wieder darüber nachgedacht. Mein Sohn David lebt in Hamburg. Und mein Enkel. Manchmal bin ich morgens mit dem Zug zu ihnen gefahren – und abends wieder zurück. Nur um den Kleinen zu sehen. Trotzdem war die Familie nicht der Hauptgrund für meinen Umzug. Hamburg ist einfach eine tolle Stadt. Ich habe immer gesagt: Wenn ich mal umziehe, dann nur dorthin. Bevor ich das Ladenlokal in der alten Liesegangfabrik gefunden habe, hatte ich schon mal den Plan, nach Hamburg zu gehen. Berlin kommt für mich gar nicht in Frage, das ist keine Stadt für mich. Für zwei oder drei Tage finde ich es okay, aber davon abgesehen hat Berlin mich nie gereizt. In München, wo mein Sohn lange gearbeitet hat, wollte ich auch nie wohnen. Habe ich nicht eine Sekunde drüber nachgedacht.

Und Düsseldorf, wie empfindest du die Stadt, vielleicht auch im Vergleich zu früher?
Seit einigen Jahren stelle ich eine gewisse Stagnation fest. Man dreht sich ein bisschen im Kreis. Die Stadt ist mir manchmal zu langweilig, zu oberflächlich. Die Kreativen hier werden nicht wirklich wahrgenommen, ihr Tun nicht wertgeschätzt. Früher waren bei meinen Präsentationen 300 Leute, heute kommen vielleicht 50, 60. Es gibt viele Leute hier, die sich den Hintern aufreißen, um die Stadt lebenswert zu machen. Aber die bräuchten viel mehr Support. Mehr Öffentlichkeit.

Apropos Support: Du hast viele Jahre junge Designer:innen unterstützt. Wirst du das in Hamburg fortführen?
Auf jeden Fall werde ich ihre Kollektionen bei mir im Laden präsentieren. Früher habe ich sogar Kollektionen vorfinanziert. Aber das kann ich heute nicht mehr. Ich muss mir mein Geld einteilen.

Viele der Sachen, die du bei „Ela selected“ verkaufst, sind Avantgarde. Passt das eigentlich zu Düsseldorf?
Nein, Düsseldorf ist keine Avantgarde-Stadt. Vielen hier geht es in erster Linie ums Geld verdienen, darum, etwas darzustellen. Das Beste, das Schönste, das Größte – das ist in Düsseldorf allgegenwärtig.

Ela und Anti, Foto: Anna Kaduk Fotografie

Auch die Art und Weise wie du dich kleidest, ist ziemlich extravagant und fällt auf. Wie reagieren die modisch nicht gerade mutigen Düsseldorfer:innen auf dich?
Meine Auffassung von Mode ist eng verbunden mit Kunst und Musik. Ich liebe Brüche und provoziere mit meiner Kleidung auch gerne. In Düsseldorf gucken mir die Menschen oft hinterher, weil ich in ihren Augen komisch angezogen bin, so ganz in schwarz. Meinem Mann geht es ähnlich. Wenn Anti von „Penny“ kommt, sagt er oft zu mir: „Die haben mich wieder so komisch angeguckt, die denken bestimmt, ich sei ein Pastor.“

Hat sich die Kleidung der Menschen während der Corona-Krise deiner Wahrnehmung nach verändert?
Bei meinen Kund:innen gar nicht. Ich habe aber auch keine Kundinnen, die Jogginganzüge mit Ugg-Boots kombinieren. „Ela selected“ hat auch während der 13 Monate Corona funktioniert. Es lief durchgehend gut. Ich kann mich nicht beschweren. Ich war jeden Tag im Laden, habe ständig neu dekoriert und wenn ich nicht öffnen konnte, habe ich Sachen bei Facebook oder Instagram eingestellt.

Wie ist dein Verständnis von Mode?
Ich bin der Ansicht, dass sich jeder so kleiden sollte, wie es ihm oder ihr guttut. Es gefällt mir, wenn die Menschen durch Kleidung ihre Persönlichkeit unterstreichen. Grundsätzlich soll jede:r das tragen, was er/sie gerne möchte. Ich für mein Teil trage gerne schwarz. Vivienne Westwood, mit der ich lange gearbeitet habe, hat immer gesagt: „Kauf wenig, aber gut.“ Das ist auch meine Maxime. Ich finde, die Leute sollten sich nicht von Kopf bis Fuß in Billigkleidung hüllen. Dann lieber hochwertigere Sachen gebraucht kaufen.

Du hast deine Entscheidung, Düsseldorf zu verlassen, vor einigen Wochen bei Facebook gepostet. Wie sind die Reaktionen deiner Kund:innen ausgefallen?
Die Reaktionen dauern bis heute an. Jemand hat zum Beispiel neulich zu mir gesagt: „Du bist die DNA von Düsseldorf.“ Da sind mir die Tränen gekommen. Viele Kund:innen haben gesagt: „Wer soll mich denn dann beraten? Es gibt niemanden, der so auf mich eingeht wie du.“ Es gab Briefe. Es gab ohne Ende Blumen. Es gab kleine Geschenke. Und auch Champagner. Einige rufen jetzt an und fragen, ob sie nochmal kommen können. „Wir möchten uns gerne noch verabschieden“, heißt es. Und viele meiner Stammkund:innen haben jetzt schon versprochen, dass sie nach Hamburg kommen, sobald ich dort ein Ladenlokal gefunden habe.

Welcher Tag wird der letzte Verkaufstag in der Alten Liesegangfabrik sein?
Der 12. Mai.

Wenn du jetzt daran denkst, wie fühlst du dich dann?
Es erscheint mir ein bisschen irreal. Die Vorstellung, hinter diesem Riesen-Möbeltransporter herzufahren, ist schon komisch. Auch in unserer Wohnung in Hamm sind Anti und ich ja total glücklich. Es freut uns beide daher sehr, dass Kunden von uns die Wohnung übernehmen. Wir lassen sogar ein paar Sachen drin. Auch das Interieur aus dem Laden, das ich nicht mitnehmen kann, habe ich an Kund:innen abgegeben, die das wirklich zu schätzen wissen und froh waren, dass sie dann noch etwas von mir haben. Für mich ist es schön, zu wissen, dass die Sachen, die 44 Jahre bei mir waren, bei Leuten weiterleben, die ich kenne und mag. Ich bin also ganz okay damit. Ich fühle mich befreit. Ich habe auch viele private Fotos weggeschmissen. Das fällt mir wesentlich leichter als Anti, obwohl der gar nicht von Anfang an dabei war. Ich kann mich besser von Dingen lösen.

Was passiert mit der Kleidung, die ihr bis dahin nicht abverkauft? Geht die mit nach Hamburg?
Von den älteren Sachen habe ich zuletzt viele abgegeben, wir haben ja jahrelang den Gute-Nacht-Bus unterstützt. Nicht mit High Fashion, eher mit Basics. Außerdem habe ich ganz, ganz viel verschenkt. An junge Musiker:innen zum Beispiel. Die durften sich was aussuchen und waren ganz happy. Die aktuellen Sachen gehen mit nach Hamburg. Für meine eigene Kollektion „Ela selected“ habe ich schon vorproduzieren lassen, weil ich ja nicht weiß, ob ich in Hamburg sofort zwei, drei neue Schneider:innen finde. Ich möchte die Kollektion, die super läuft, dort gerne relaunchen.

Wenn du auf deine Zeit in Düsseldorf zurückschaust, welche Szenen kommen dir sofort in den Kopf?
Puh, das ist eine gute Frage. Bisher habe ich in erster Linie auf meine Arbeit zurückgeschaut. Ich habe lange Zeit junge Designer:innen unterstützt, von denen viele heute immer noch aktiv sind. Marion Strehlow zum Beispiel. Ich habe viele klasse Leute kennengelernt, die mich immer noch begleiten. Mein Leben hatte viele Ups and Downs. Aber es war immer Bewegung drin.

Wo und wie wirst du in Hamburg wohnen?
In Eimsbüttel, unweit des Schanzenviertels. In einer ganz schmalen, sehr schönen Einbahnstraße. Wenn wir zuhause eingerichtet sind, habe ich meinem Sohn versprochen, dass ich ein bisschen freimache, um zur Ruhe zu kommen. David möchte, dass ich gesund bleibe. In der Zeit werde ich aber Facebook und Instagram weitermachen, dort Sachen verkaufen. Und dann werde ich mich auf die Suche nach einem neuen Ladenlokal machen. Ich habe sogar schon eins an der Hand, das muss ich mir allerdings vor Ort noch anschauen. Kunden habe ich in Hamburg auch schon einige. Die sind bisher immer nach Düsseldorf gekommen. Ich möchte in Zukunft nicht mehr von morgens bis abends im Laden stehen. Drei bis vier Tage in der Woche öffnen, das kann ich mir aber gut vorstellen.

Hast du in der neuen Heimat schon Lieblingsorte?
Antis und mein Lieblingsplatz ist die Parkanlage Planten un Blomen. Da genießen wir es, zu sitzen und zu reden. Wir waren schon sehr oft dort, wenn wir in Hamburg zu Besuch waren, auch mit unserem Enkel. Da sind wir super glücklich. Dann gibt es natürlich viele kleine Restaurants, die wir gerne besuchen. Und an der S-Bahn-Station Hoheluftbrücke gibt es einen regionalen Gemüsemarkt, den mögen wir auch sehr. Da freuen wir uns jetzt schon wieder drauf. In Paris gibt es so was Ähnliches. Aber der kann dem in Hamburg nicht das Wasser reichen.

Wie würdest du das Hamburger Flair beschreiben, auch im Unterschied zu Düsseldorf?
Wenn Anti und ich in Hamburg durch die Stadt gehen, durch die Schanze, durchs Karolinenviertel bis zum Gänsemarkt, treffen wir immer tolle Leute, kommen mit ihnen ins Gespräch. In Hamburg ist mehr Mix, es herrscht eine gewisse Leichtigkeit. Vor einigen Jahren hatte ich ja schon mal einen Pop-up-Store in der Stadt, ein Laden in einer Galerie. Direkt gegenüber von der Astra-Stube, auf St. Pauli. Gleich am ersten Tag habe ich die Miete für drei Monate eingenommen. Die Leute haben meine Sachen geliebt. Sachen, für die sich in Düsseldorf niemand interessiert hat. Die Hamburger:innen kleiden sich einfach anders als die Düsseldorfer:innen.

Du hast gesagt, dass Musik für dich sehr wichtig ist. Du beginnst jeden Tag mit Musik. Was hast du heute morgen aufgelegt?
Heute Morgen habe ich Hildegard Knef gehört. „Für mich soll’s rote Rosen regnen“. Aber meistens starte ich mit David Bowie in den Tag. Zuletzt waren es auch mal Talk Talk, ich finde, die Stimme des Sängers so toll. Anti hört gerne italienische Sachen. Wenn wir beide parallel Musik hören, müssen wir aufeinander Rücksicht nehmen, keiner darf zu laut machen.

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