Silke Roggermann im Interview – „Podcast kann ja jeder“

Silke Roggermann ist eine Frau mit vielen Talenten. Sie war Geschäftsführerin des Co-Working-Space super7000, hat die Idee der Give-Box nach Düsseldorf gebracht und macht seit vielen Jahren mit ihrem Duo Bald‘n‘Blond auch Musik. Nun hat sie zusammen mit einigen Mitstreitern den Radiosender StreamD aus der Taufe gehoben. Dort läuft auch ihre erste eigene Sendung „Radio Roggermann“. Folge Nummer eins ging am 14. Oktober über den Äther. Kurz nach der Premiere hat theycallitkleinparis mit Roggermann gesprochen.

Silke, stimmt es, dass du als kleines Mädchen lieber einen Hund gehabt hättest als eine Schwester?
Ich war drei Jahre alt, als meine Schwester geboren wurde, und soweit ich mich erinnern kann, fand ich das damals richtig doof. Aber das hat sich zum Glück schnell geändert. Und seitdem wir nicht mehr in einem gemeinsamen Kinderzimmer wohnen, läuft’s richtig gut.

Ich frage das natürlich nicht ohne Grund. Am 14. Oktober hatte deine Sendung „Radio Roggermann“ bei StreamD Premiere. Zu Gast war deine jüngere Schwester Sandra. Warum hast du sie ausgesucht?
Das hat mehrere Gründe. Zum einen wollte ich einen Gast, der oder die einen spannenden Werdegang hat und einiges über sich erzählen kann. Und das kann Sandra! Zum anderen wollte ich aber auch auf der sicheren Seite sein, dass, wenn die erste Sendung so richtig Scheiße werden sollte und nichts klappt, mein Gast und ich trotzdem entspannt sind und Spaß miteinander haben. Und familiärer Beistand ist immer gut, egal in welcher Situation.

Ich habe den Eindruck, dass viele nicht mehr wissen, wie ein Dialog funktioniert. Was macht ein gutes Gespräch deiner Ansicht nach aus?
Richtiges Zuhören und echtes empathisches Interesse aneinander. Also wirkliches Zuhören und seinem Gegenüber Raum und Zeit geben. Wie ich in meiner ersten Livesendung gemerkt habe, gar nicht so einfach. Und natürlich auch tolerant zu sein, auch wenn man mal nicht einer Meinung ist. Ich muss mit meinem Gesprächspartner nicht ins gleiche Horn tuten, sollte die andere Meinung aber auch gut aushalten können. Und für mich persönlich darf der Humor nicht fehlen. Wie der kürzlich verstorbene Herbert Feuerstein sinngemäß sagte: „Jeder hat ein Recht auf Verarschung.“ Von mir aus darf es dann auch ruhig mal politisch unkorrekt werden.

Silke und Sandra Roggermann, Foto: privat

Man hat in der Sendung ziemlich viel über deine Schwester erfahren. Du hast aber auch viel über dich preisgegeben. War das der Situation geschuldet, dass ihr euch sehr gut kennt? Oder soll das auch in Zukunft so sein?
Natürlich kennen Sandra und ich uns in- und auswendig und da ließ es sich nicht vermeiden, dass es phasenweise sehr privat wurde. Aber ich finde, dass ein gutes Gespräch auch die Offenheit beider Gesprächspartner ausmacht und man sich auf Augenhöhe begegnet. Ich muss jetzt nicht mein ganzes Leben bei „Radio Roggermann“ breit treten, das interessiert keinen und deshalb mache ich das ja auch nicht. Aber wenn ich etwas zum Thema meines Gastes beitragen kann, dann fällt es mir schwer meinen Mund zu halten.

Was mich zum Beispiel sehr überrascht hat, ist, dass du dich als „Schissbuxe“ bezeichnet hast. Das hat mich sehr verwundert, weil mein Eindruck ist, dass du dich ständig neuen Herausforderungen stellst. Koketterie?
Vielleicht ein bisschen… Aber grundsätzlich ist es bei mir tatsächlich so, dass ich nicht so mutig bin, wie es anscheinend den Eindruck macht. Es kostet mich teilweise große Überwindung, meine Komfortzone zu verlassen. Aber nur so passieren einem ja die besten Dinge!

Wie waren die Reaktionen auf die erste Sendung?
Das, was bei mir als Feedback angekommen ist, war zu 99 Prozent positiv. Ich vermute mal, dass die meisten Zuhörenden mich momentan noch persönlich kennen, daher geht man gnädig mit mir um. Eine Handvoll Leute hat sich bei mir persönlich gemeldet, dass sie es wirklich unterhaltsam und toll fanden und sich mehr davon wünschen. Dann soll es wohl so sein.

Lässt sich nachvollziehen, wie viele Menschen die erste Ausgabe von „Radio Roggermann“ gehört haben?
Nicht so richtig, weil man unseren Radiosender StreamD über mehrere Plattformen streamen kann und nicht überall die aktuellen Zahlen zu bekommen sind. Aber eine knapp dreistellige Zahl sollte es schon gewesen sein. Wir stehen ja erst ganz am Anfang unserer Radiokarriere.

Sind für die nächsten Sendungen weitere Verwandte geladen? Welche Wunschgäste hast du auf dem Zettel?
Ich bin da recht offen, was meine Gästeauswahl angeht. Ich kenne so viele tolle und inspirierende Menschen. Und diese haben so viele tolle Geschichten zu erzählen, die raus in die Welt müssen. Ich will mit meiner Sendung ja nicht nur unterhalten, sondern auch inspirieren, motivieren und anstecken, Gutes zu tun. Es gibt schon ein paar spezielle Kandidaten, die auf meiner Wunschliste stehen, Namen möchte ich aber noch nicht preisgeben.

Die Sendung soll im Zwei-Wochen-Takt laufen. Immer live?
Ja, das ist das Ziel. Ich habe den meisten Spaß an spontanen und nahezu ungefilterten Gesprächen und mein obligatorisches Lampenfieber stellt mich immer wieder vor spannende Herausforderungen. Meine rote Rübe sieht man dann ja zum Glück nicht. Ich habe mir auch gedacht: Podcast kann ja mittlerweile jeder. Livesendungen sind für mich das nächste Level. Aber frag mich am besten noch mal nach meinem ersten großen Patzer oder Shitstorm. Vielleicht ändere ich dann meine Meinung.

Wie intensiv bereitest du das vor?
Da ich ja bis jetzt erst eine mickrige Sendung bestritten habe, kann ich die Frage gar nicht so richtig beantworten. Es gibt Stichpunkte zum Gast, die ich mir notiere, damit ich nicht den Faden verliere. Ähnlich denen in dem bunt markierten Heftchen bei „Inas Nacht“. Und ich will im Vorfeld mit meinen Gästen grob festlegen, worüber sie sprechen möchten und worüber sie auf keinen Fall sprechen möchten. Ich will niemanden bloßstellen. Die Musikauswahl obliegt bei der Sendung dem Gast und da müssen wir teilweise auch ein bisschen vorbereiten, dass die Songs technisch parat stehen und der Gast im Vorfeld ein paar Zeilen zu jedem Song liefert. Das obligatorische Maul aufreißen und Größenwahn auf Social Media gehört natürlich auch mit dazu. Das bereitet mir den größten Spaß.

Du hast eine gute Radiostimme. Hast du jemals ein Stimmtraining absolviert?
Vielen Dank für die Blumen. Ich werde tatsächlich des öfteren auf meine Stimme angesprochen und dies hat mich unter anderem auch zur eigenen Radiosendung beflügelt. Ich singe, seitdem ich denken kann, und hatte auch ein paar Jahre Gesangsunterricht. Ein klassisches Stimmtraining hatte ich noch nicht, aber das steht auf meiner persönlichen Wunschliste.

Dein großes Vorbild ist die Radiomoderatorin Bettina Rust. Was schätzt du an ihr und ihrer Sendung „Hörbar Rust“?
Bei Frau Rust ist es auf den ersten „Blick“ natürlich ihre charakteristische Stimme mit diesem einzigartigen warmen Timbre. Ich bin ein Sound-Nazi, darf man das so sagen, und achte immer sehr auf die Stimme. Ich liebe dunkle und warme Stimmfarben. Das hält mich aber auch leider manchmal davon ab, inhaltlich interessante Podcasts zu hören, bei denen mir die Stimme so gar nicht gefällt. Das ertrage ich dann nicht. Bettina Rust versteht es, mit ihren Gesprächen eine intime und wohlige Atmosphäre zu erzeugen und trotzdem mit Humor, Witz und Leichtigkeit bei mir zu punkten.

Welche ist deine liebste Folge?
Es gibt einige Lieblingsfolgen der „Hörbar Rust“, aber ganz besonders im Gedächtnis geblieben, ist mir die Sendung mit Rocko Schamoni. Spontan denkt man, diese Kombi kann ja nur sehr unterhaltsam und lustig werden. Aber als beide dann sehr intensiv über das Thema Selbstbestimmung und aktive Sterbehilfe gesprochen haben, ist mir das Herz aufgegangen. Das ist nämlich auch mein Ziel mit „Radio Roggermann“: zu unterhalten, Schwachsinn erzählen zu dürfen, aber zeitgleich auch wirklich tiefgründige und wichtige Themen zu diskutieren.

Von der „Hörbar Rust“ hast du auch die Idee entliehen, dass der Gast zehn Songs „mitbringt“, die in der Sendung gespielt werden. Gibt es Musikalisches, dass du dabei ausschließen möchtest?
Meine musikalische Toleranz wird immer wieder auf die Probe gestellt und das mache ich mir mit diesem Konzept sicher nicht einfacher. Von der Stilrichtung her würde ich tatsächlich alles spielen, bis auf rechtsradikale und sexistische Kackscheiße. Wird man sehen, was meine Gäste so auf ihren Wunschlisten haben.

Was genau ist StreamD?
Im Dezember 2019 haben wir mit sieben Leuten den Verein StreamD e.V. gegründet, für neues Radio aus und für Düsseldorf. Initiator ist Michael Theine, den eventuell manche vom „Freifunk“ oder den Piraten kennen. Mit an Bord sind mittlerweile circa 15 ganz verschiedene Personen aus den unterschiedlichsten Bereichen, die aber alle gemeinsam Bock auf neues Radio haben. Langfristig wird StreamD auch nicht nur Webradio bleiben, sondern auch über dab+ zu empfangen sein.

Wie viel Programm macht ihr derzeit?
Wir sind 24/7 zu hören. Auf www.streamd.de und unter anderem über die Apps TuneIn und Radio.de. Archivsendungen sind neben unserer Website auch über Spotify zu finden. Grundsätzlich werden wir wochentags ab dem späten Nachmittag Wortbeiträge, Interviews, Podcasts und auch Livesendungen senden. Musik ist natürlich der Schwerpunkt. Da den gemeinsamen Nenner zu finden, ist immer wieder eine unserer Herausforderungen. In den individuellen Sendungen unserer Mitstreiter kann natürlich jeder spielen was er will. Es sei denn, es droht die allgemeine Blacklist. Wettersendungen kommen vom Wetterstrucksi, den bestimmt einige aus diesem Internet kennen. Stefan Schmidt plant die Sendung „Radspur“ rund um das Thema Radverkehr in Düsseldorf. Thomas Hohlstein ist bei uns der Quotenpunk. Er hat auch eine Livesendung, meist freitags ab 16 Uhr „Ein Bier vor IV“ mit Punk & Co. Vanessa Schulz und ich planen die „Damenwahl“, wo wir uns geliebte Musik vornehmen und uns ein leckeres Getränk begleitet. Wir führen auch schon diverse Gespräche mit fremdsprachigen Akteuren, die Sendungen für ausländische Mitbürger in Düsseldorf produzieren.

Sucht ihr weitere Mitstreiter?
Ja, unbedingt. Wer mag, darf uns gerne Ideen oder Konzepte schicken. Wer einen Podcast macht, der aus Düsseldorf kommt und sich mit regionalen Themen befasst und den über uns senden möchte, kann das ebenfalls tun. Nischige Themen finden wir super. In der Zeit vor Corona planten wir außerdem Live-Mitschnitte von DJ-Sets aus Düsseldorfer Clubs und dem Nachtleben. Das geht im Moment ja leider nicht. Ein Live-Set bei uns im Studio wäre hingegen möglich.

Wo ist euer Studio?
Wir sitzen mit unserem kleinen Pop-Up-Radio-Studio im Kulturverein Park-Kultur am Parkhaus auf der Oststraße, direkt gegenüber der Brauerei Schumacher. In den nächsten Jahren soll das Parkhaus allerdings abgerissen werden. Mal schauen, wo wir dann unterkommen.

Gibt es „Radio Roggermann“ auch als Podcast?
Noch nicht, aber schon ganz bald. Meine technikaffinen Kollegen kümmern sich bereits darum. Wir machen das alle nebenberuflich, von daher dauert es manchmal ein bisschen länger, unsere 1.000 Ideen zu verwirklichen. Für den Podcast müssen wir leider die Musik aus GEMA-technischen Gründen raus schneiden. Dafür gibt’s dann aber die Radio Roggermann“-Playlist auf Spotify, wo alle Songs aus den Sendungen zu hören sein werden. Und vielleicht noch ein paar mehr.

Die zweite Folge von „Radio Roggermann“ könnt ihr am 28.10. zwischen 18 und 20 Uhr auf StreamD hören.

2 Kommentare

Kommentieren

Toller Artikel!
Meine Lieblingsstelle: Thomas Hohlstein ist bei uns der Quotenpunk. Er hat auch eine Livesendung, meist freitags ab 16 Uhr „Ein Bier vor IV“ mit Punk.
🙂
Liebe Grüße

Schreibe einen Kommentar

*