Markus Hoffmann im Interview – „Düsseldorf fühlte sich auf einmal großstädtisch an“

Am 30. September gehen im Carsch-Haus die Lichter aus. Auch die Champagnerbar im Delikatessa ist dann endgültig Geschichte. Der Düsseldorfer Fotograf Markus Hoffmann hat einige Tage vor der Schließung das Verschwinden des Einkaufstempels in Bildern festgehalten. Im Interview mit theycallitkleinparis erzählt Hoffmann von seiner persönlichen Beziehung zum Carsch-Haus.

Als das Carsch-Haus 1984 eröffnete, warst du gerade 18. Damals galt die unterirdische Delikatessen-Abteilung Delikatessa – ähnlich wie das Mövenpick auf der Kö – in Düsseldorf als place to be. Man setzte sich tatsächlich ins tageslichtfreie Untergeschoss eines Kaufhauses, um Champagner zu trinken oder etwas zu essen. Gehörtest du damals auch zu den Gästen?
Nein, dafür war bei mir das Geld zu knapp. Mich faszinierte eher das, was von diesem Haus und insbesondere von der Delikatessa-Abteilung ausging. Damals ging ich am Ende der Kö aufs Görres-Gymnasium und mein Heimweg zur Bahnhaltestelle führte häufig durch das Untergeschoss des Carsch-Haus. Die Gerüche, das Treiben und vor allen Dingen die Menschen haben mich seinerzeit fasziniert. Düsseldorf fühlte sich auf einmal so großstädtisch an.

Wie sind deine Erinnerungen an das Delikatessa?
Mir ist insbesondere die Champagnerbar in Erinnerung geblieben – düsseldorferischer ging es nicht. Analog zur geografischen Lage dieser Bar habe ich die Menschen dort ebenfalls zwischen Kö-Extravaganz und Altstadt-Ehrlichkeit empfunden. Meiner Ansicht nach mag der Düsseldorfer an sich diesen Schick gar nicht, den man der Stadt immer nachsagt. Er braucht auch das Bodenständige, das Einfache und Ehrliche. Und das konnte man an dieser Bar finden, man musste sich nur drauf einlassen. Meine Frau und ich waren zum Beispiel vor Ausstellungen, zu denen wir eingeladen waren, gerne dort und haben die Szenerie auf uns wirken lassen. Die schick gemachten Damen in Überzahl, die Herren, die mit ihrem rheinisch eingefärbten Dialekt die Damen unterhielten, und das nie aus der Ruhe zu bringende Personal. Herrlich. Wenn die Welt draußen nicht in Ordnung war, dort war sie irgendwie in Ordnung.

Warst du auch in den anderen Geschossen des Carsch-Haus als Kunde unterwegs und hast entsprechend stolz die Carsch-Haus-Tüten spazieren getragen?
Ich kann mich daran erinnern, dass ich einmal einen Blick in die Herrenabteilung geworfen habe. Die hatte allerdings damals für mich zu wenig Rock’n’Roll und ich bin zum Glück wieder in meinen vertrauten Altstadtläden gelandet. Aus den Tüten habe ich mir eh nichts gemacht. Überhaupt, die Marken und den Look, der mich damals als Jugendlicher interessierte, den gab es im Carsch-Haus nicht. Allerdings bin ich ab und zu in der Medienabteilung hängengeblieben. Als Schüler habe ich in den Plattenläden der Altstadt sehr viel Geld gelassen. Als dann die CD populär wurde, machte es durchaus Sinn, die Angebotstische im Carsch-Haus zu durchstöbern und mit den Angeboten der anderen zu vergleichen. Auch Bücher habe ich dort nach der Schule sehr gerne gekauft, weil es so praktisch auf dem Weg lag.

Deine Fotos vom Carsch-Haus sind erst vor wenigen Tagen entstanden. Sie sind komplett menschenleer. War zu dem Zeitpunkt, als du fotografiert hast, überhaupt geöffnet?
Ja, es war zu meinem Erstaunen und zu meiner Freude geöffnet. Allerdings fotografiere ich – abgesehen von sehr wenigen Ausnahmen – keine Menschen. Das können andere besser und es ist mir nicht wichtig. Ich versuche aber in meinen Bildern trotzdem sehr viel über Menschen zu erzählen, ohne sie direkt zu zeigen. Als die Aufnahmen vom Carsch-Haus entstanden, war es in dem Kaufhaus tatsächlich schon sehr leer. Einzelne Monteure waren bei der Arbeit, zogen Stecker und bauten die Ladeneinrichtung ab. Hier und da ging die Beleuchtung aus. Gastronomen der Delikatessa-Abteilung stapelten ihr Hab und Gut auf Rollwagen. Nur die Champagnerbar trotzte den Abbauaktivitäten. Alle Gläser waren noch akkurat an Ort und Stelle und es saßen noch drei Gäste dort, die wohl noch Tschüss sagen wollten.

Wie lange warst du ungefähr vor Ort, um zu fotografieren?
Ich war an zwei Vormittagen dort. Wie lange ich jeweils vor Ort war, kann ich gar nicht sagen. Ich bin bei solchen Aufnahmen sehr konzentriert und fokussiert. Ich lasse mir Zeit, um alle Bestandteile der Szenerie zu scannen. Der Ort war mir wichtig.

Wie viele Fotos sind dabei entstanden?
Es sind circa 80 Aufnahmen entstanden, aus denen nun 12 Motive die Serie bilden.

Wie hast du die Szenerie vor Ort empfunden?
Die Szenerie hat mich sehr berührt und nachdenklich gemacht. Letztendlich geht eine Ära zu Ende und meine Bilder sind so etwas wie Abschiednehmen von etwas Vertrautem. Es hat auch viel mit einem selbst zu tun und der Erkenntnis, dass für jeden einmal die Umzugskartons gepackt sind und das Licht ausgeht.

Was reizt dich persönlich als Fotograf an einem leerstehenden Kaufhaus?
Mir persönlich geht es in diesem Fall nicht um leere Kaufhäuser an sich, sondern genau um dieses eine Kaufhaus, mit dem ich eine ganz persönliche Geschichte verbinde. Ich habe es quasi aufwachsen gesehen. Auch wenn ich in meinen Fotos keine Menschen abbilde, so kann ich sie trotzdem sehen und hören. Teilweise weiß ich sogar, welche Kleidung sie tragen. Es ist mir dabei wichtig, dass der Betrachter seine eigenen Erinnerungen und Emotionen aus meinen Bildern zieht. Ich liefere nur die Trigger. Wenn meine Bilder in irgendeiner Form berühren und etwas auslösen, macht mich das glücklich.

Das Carsch-Haus ist ja nicht das einzige Kaufhaus, das unter Kundenmangel leidet. Während die Düsseldorfer Karstadt-Filiale in letzter Minute gerettet werden konnte, werden auch Galeria Kaufhof am Wehrhahn sowie Karstadt Sports Ende Oktober schließen. Wirst du dort ebenfalls fotografieren?
Nein, ich arbeite derzeit aber an einem Buchprojekt, bei dem ich mich in anderer Form mit Wandel auseinandersetze.

Nach der Schließung der beiden Warenhäuser stehen in direkter Innenstadt-Lage zwei große Immobilienflächen frei, die relativ schwierig zu vermieten sein dürften. Da ist also Kreativität gefragt. Welche Nutzung würdest du dir wünschen?
Für mich wären zwei Optionen denkbar. Im ersten Fall wünsche ich mir für die Anschlussnutzung ein Kaufhaus-Konzept, das weniger die bekannten Labels berücksichtigt, die eh schon mehrfach in der Stadt vertreten sind, sondern unbekannte, spannende Labels aus nachhaltiger Produktion. Oder wertige Second-Hand-Stores, wie sie in London, Amsterdam und anderen Großstädten zu finden sind. Selbstverständlich wünsche ich mir auch Galerien und Geschäfte mit bezahlbarer junger Kunst. Andererseits wäre so ein Leerstand auch eine gute Möglichkeit, den Menschen wieder etwas zurückzugeben. Durch Schaffung von wirklich bezahlbarem Wohnraum unter Berücksichtigung des demografischen Wandels. Die starken Konsumentengruppen werden immer älter, benötigen aber dringend auch bezahlbaren, lebenswerten und altersgerechten Wohnraum. Innenstädte sollten für alle Einkommensschichten als Wohnraum wieder möglich und attraktiv sein.

Aus der Serie „Carsch-Haus“, alle Fotos: Markus Hoffmann, die komplette Serie gibt es hier.

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