Andreas Dahmen und Christiane Oxenfort im Interview – „Das Zelt ist die Herzkammer des Festivals“

Den 30. Geburtstag hatten sich die Macher mit Sicherheit anders vorgestellt. Lange blieb unklar, ob das Düsseldorf Festival 2020 überhaupt stattfinden kann. Die gute Nachricht: Es kann. Wie genau es aussehen wird, verraten die künstlerischen Leiter Andreas Dahmen und Christiane Oxenfort im Interview mit theycallitkleinparis.

30 Jahre Düsseldorf Festival sind ja zunächst mal ein Grund zurückzuschauen. Woran erinnert ihr euch besonders gerne?
Dahmen: 30 Jahre ist nicht nur ein langer Zeitraum, die Tatsache, dass wir das Festival von seiner Keimzelle bis heute aufgezogen, gestaltet, umgebaut und haben groß werden sehen, ist ein Zustand der einen glücklich macht. Dahinter verblassen die vielen positiven und auch manche negativen Einzelerlebnisse mit der Zeit etwas.

Wann war euch klar, dass ihr das Düsseldorf Festival 2020 nicht wie geplant durchziehen könnt?
Oxenfort: Etwa Mitte März, mit Beginn des Lockdowns.

In welchem Zeitraum entstand dann die Alternativ-Version?
Dahmen: Wir haben in der letzten Märzwoche mit unserem technischen Direktor und dem engsten Team erste Pläne diskutiert.
Oxenfort: Es war ein langer Prozess mit vielen Rückschlägen bis klar war, was erlaubt sein würde und ob man überhaupt mit Künstlern aus dem Ausland rechnen konnte. Dieser Prozess hat bis Mitte Juni gedauert.

Das heißt ja, ihr musstet das komplette ursprünglich geplante Programm absagen und parallel ein Neues planen. Wie lang waren eure Arbeitstage in der Phase?
Dahmen: Das kann man nicht in Stunden fassen, denn man geht ja schwanger mit seinen Ideen und nimmt sie mit, nach Hause, und auch ins Bett, und morgens wacht man damit auf – also dann 24 Stunden.

Das Theaterzelt auf dem Burgplatz wird es in diesem Jahr nicht geben. Stattdessen aber ein wesentlich kleineres Zelt. Was ist programmatisch dafür geplant?
Oxenfort: Wir haben uns sofort entschlossen, ein positives Signal in die freie Künstlerszene zu senden und ein coronagerechtes Projekt zu entwickeln. Kunst ist etwas Wertvolles, mit „Face to Face“ steigern wir diesen Moment für den Zuhörer noch um ein Vielfaches. Er erhält ein sehr exklusives Kunsterlebnis, mit einem Künstler nur für sich allein – oder zu zweit. Das Programm geht von Schauspiel über alle Musikgenres bis hin zur Tanzperformance.

Die insgesamt sieben großen Produktionen finden in der Mitsubishi Electric Halle statt. Das Spektrum reicht von elektronischer Musik bis Akrobatik, von zeitgenössischem Flamenco bis Fado. Wie viele Zuschauer dürfen maximal in die Halle?
Oxenfort: Die Grenze liegt bei etwa 800 Plätzen, sehr locker bestuhlt mit viel Abstand.

Der Charme einer Mehrzweckhalle ist mit dem des Zelts am Burgplatz natürlich nicht zu vergleichen ist. Wie sehr bedauert ihr das?
Dahmen: Wir lieben unsere Heimspielstätte, unser Zelt, denn es ist ja nicht nur Bühne, sondern auch perfektes Umfeld für unseren gesamten Festivalorganismus. Hier wird hart gearbeitet und auch gefeiert. Es ist die Herzkammer des Festivals. Darauf verzichten zu müssen in diesem Jahr, ist uns nicht leichtgefallen, und doch ist die Unterstützung durch D.LIVE ein ungeheures Geschenk, das uns ermöglicht, etwas von unseren Ideen zu retten.
Oxenfort: Wir finden aber, dass die MEH durchaus ihren Reiz hat. Und wir sind tatsächlich nicht zum ersten Mal dort zu Gast. 1998 gab es eine Produktion, die wir kurzfristig in die damalige Philipshalle verlegen mussten, da die Deckenhöhe unseres Zelts zu niedrig war. Da gefiel uns die Halle schon. Wir freuen uns auf alle Fälle auf diese Spielstätte und werden sie mit unserer Festivalatmosphäre füllen.

Wird es ähnlich wie in der Altstadt denn einen entsprechend möblierten Barbereich geben, wo das Publikum vor und nach den Veranstaltungen gemütlich etwas trinken kann?
Oxenfort: Nein, das darf es leider nicht geben. Es ist aber möglich, sich an der hauseigenen Bar Getränke zu kaufen.

Auf dem Parkplatz an der MEH ist seit vielen Monaten auch das Corona-Testzentrum untergebracht. Wie lässt sich das mit Veranstaltungsbetrieb vereinbaren?
Oxenfort: Das Testzentrum wird in einem abgetrennten Bereich hinter der Halle sein. Damit kommt selbstverständlich keiner in Berührung.

Apropos Corona: Ihr habt auch Künstler aus dem Ausland zu Gast, in dem Fall aus Frankreich. Die müssen ja vermutlich direkt nach ihrer Ankunft hier getestet werden, oder?
Dahmen: Die Künstler lassen sich in Frankreich testen und werden nach Ankunft hier nochmal getestet, sie sind in eigenen Vans unterwegs und bleiben ansonsten fast ausschließlich unter sich. Sie haben in der MEH gute Hygienebedingungen im Backstagebereich. Unser Team wird bei der Betreuung Masken tragen und Abstände einhalten.

Wie reagieren eure Zuschauer auf die alternative Version des Düsseldorf Festivals? Was bekommt ihr für Rückmeldungen?
Dahmen: Viele sind dankbar, dass wir trotz der Pandemie ein Festival organisieren. Natürlich schwingt bei manchen etwas Angst mit, es könnte wieder abgesagt werden. Aber grundsätzlich signalisiert man uns Freude, dass es endlich wieder losgeht.

Nach Corona dürfte die hiesige Kulturlandschaft nicht mehr dieselbe sein wie vor der Pandemie. Wie sehen eure persönlichen Hoffnungen für 2021 aus?
Oxenfort: Oh, bitte keine self-fulfilling prophecies! Unsere Hoffnung ist, dass die Künstler, die Veranstaltungsbranche, die Techniker und alle Beteiligten den Kopf nicht in den Sand stecken und von der Politik einfordern, dass auch sie wie wir ein Recht haben, unsere Berufe weiter auszuüben. Wir hoffen, und das auch schon für dieses Jahr, dass wieder mehr Besucher den Mut finden, Veranstaltungen zu besuchen, denn jeder Veranstalter trifft mehr Sicherheitsvorkehrungen als beispielsweise ein Supermarkt. Wir wünschen uns sehr, dass sich die zum Teil doch irrationalen Ängste der Menschen wieder auflösen, denn dann hätte self-fulfilling prophecy keine Chance. Es ist jetzt sehr wichtig, positiv zu denken. Wir hoffen, dass uns unsere Sponsoren und Mäzene treu bleiben, denn nur so kann es kommende Festivals geben.

Kreidler, Foto: David Meskhi

theycallitkleinparis präsentiert:
Kreidler feat. Egopusher

Seit 1994 stehen Kreidler für die Verbindung von elektronischer Musik mit analogen Instrumenten und eine charakteristisch kühle Ästhetik. Stilistisch ist die Düsseldorfer Band irgendwo zwischen elegischem Pop, Avantgarde, Krautrock, Electronica und Ambient zu verorten. Im Oktober 2019 erschien das aktuelle Album „Flood“, das sich mit seinem Opener „Eurydike“ auf die griechische Mythologie besinnt. Eine verblüffend exotische Instrumenten-Kombination präsentiert das Duo Egopusher: Der Geiger Tobias Preisig und der Produzent und Schlagzeuger Alessandro Giannelli kreieren eine rasante Mischung aus Electronica und zeitgenössischer Neoklassik. Die Songs aus ihrem jüngsten Album „Beyond“ entwickeln den großen Atem eines Soundtracks und unberechenbare Wendungen, die psychedelische Wirkungen hervorrufen.
17.9. Mitsubishi Electric Halle, Düsseldorf

theycallitkleinparis präsentiert:
Theaterkollektiv Pièrre.Vers

Das Theaterkollektiv Pièrre.Vers zeichnet mit der performativen Erinnerung „Aktion:Aktion!“ die Ereignisse vom 16. und 17. April 1945 nach: Die Alliierten stehen vor den Toren der Stadt, Hitler verhängt mit dem „Nero-Befehl“, der Kampf bis zum letzten Mann fordert, das Todesurteil über Düsseldorf. Doch ein Dutzend Männer geht mit der „Aktion Rheinland“ in den aktiven Widerstand. Sie besetzen das Polizeipräsidium und machen sich auf den Weg zu den Amerikanern, um über die kampflose Übergabe der Stadt zu verhandeln. Am historischen Schauplatz trifft nun die Vergangenheit auf die Gegenwart.
21.-23.9. & 25.-27.9. Polizeipräsidium Jürgensplatz, Düsseldorf

Das komplette Programm des Düsseldorf Festivals 2020 gibt es hier.

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