Die Mensch-Maschine. Der Schlagzeuger Jojo Mayer beim düsseldorf festival

Doktor Avalanche war kein Mensch, Doktor Avalanche war eine Maschine. Der Schlagzeugcomputer des Modells Boss DR 55 fungierte einst als fünftes Mitglied der Gothicband The Sisters of Mercy. Anfang der Achtziger Jahre war das. Damals kamen die ersten frei programmierbaren Drumcomputer auf den Markt. Ihr Sound reichte allerdings nie an das menschliche Vorbild heran. Doktor Avalanche und seine Kollegen klangen stets kühl und synthetisch. Maschinen, die Menschen nachahmten, aber dabei nie vergessen ließen, dass sie eben doch Maschinen waren.

Jojo Mayer ist genau den umgekehrten Weg gegangen. Der Drummer mit dem krausen Haar entlockt seinem Instrument Beats, die elektronisch anmuten. Das allein wäre schon eine Kunst. Erschwerend hinzu kommt, dass es sich bei den Rhythmen, die Mayer live erzeugt, um Drum‘n‘Bass handelt. Jene hochbeschleunigten Breakbeat-Sounds, die Anfang der Neunziger Jahre in England aufkamen. 160 bis 190 Beats pro Minute. Die Herzfrequenz eines Erwachsenen beträgt 60 bis 80 Schläge. Noch Fragen?

Sein erstes Schlagzeug bekam Jojo Mayer im zarten Alter von zwei Jahren. Die Familie lebte damals in Hongkong. Dort absolvierte der Sohn des Bassisten Vali Mayer auch seinen ersten Auftritt. Da war er gerade drei. Seitdem ist viel passiert. Die Familie hat überall auf der Welt gelebt, in Spanien, Italien, in Asien, in der Schweiz. Jojo Mayer hat im elterlichen Keller manchmal 12 Stunden am Stück Schlagzeug gespielt. Er hat als Sideman Tourneen in den USA, Europa und Japan absolviert, mit mehr als 20 verschiedenen Künstlern und Bands Tonträger eingespielt. Und bis heute nie Unterricht genossen. Ein Autodidakt. Ein Selfmade-Musiker. Ein Ruhe- und Heimatloser. Vor über 20 Jahren ist Mayer nach New York gegangen. Für ihn als Musiker ein Sehnsuchtsort, immer gewesen: „Die meiste Musik, die ich gehört habe, kam ja aus den USA.“

In New York hat er 1998 Nerve gegründet, jene dreiköpfige Band, mit der er den Drum‘n‘Bass-Sound entstehen lässt. Mayer hat der Vorgehensweise das Label „Reverse Engineering“ verpasst. Eine Rückentwicklung des ursprünglich elektronischen Sounds zu einem organisch geschaffenen. Das darf man sich nicht als Imitation vorstellen, keinesfalls! Sondern vielmehr als Improvisation, wie im Jazz. Es gehe nicht darum, vorzuspielen, sondern etwas im Augenblick entstehen zu lassen. Gemeinsam. Spontan. So hat Meister Mayer es mal erklärt. Und wer – bestenfalls – einer seiner „Prohibited Beatz“-Partys in New York beigewohnt oder zumindest Bilder davon gesehen hat, weiß, was er meint. Hunderte unterschiedlichster Gäste durchtanzen im New Yorker Club „Shine“ regelmäßig die Nächte zur Musik von Nerve. Die Beastie Boys waren zu Gast, viele bekannte DJs, der Playboy und das Vogue Magazine.

Die Genregrenzen hat Jojo Mayer längst hinter sich gelassen. Kategorien wie Jazz, Klassik oder Pop interessieren ihn nicht. „Ich habe keine Lust mehr mit Leuten zusammenzuarbeiten, die alles in Schubladen stecken“, sagt der 55-Jährige. Muss er auch nicht. 20 Jahre nach der Gründung von Nerve hat Mayer nur ein Ziel: Dem elektronischen Drum‘n‘Bass-Sound so nahe zu kommen wie möglich. Denn was Doktor Avalanche umgekehrt nicht gelungen ist, hat der Schweizer Schlagzeug-Gott längst erreicht: Er klingt wie eine Maschine.

theycallitkleinparis präsentiert: Jojo Mayer & Nerve, 28.9., 20 Uhr, Theaterzelt, Burgplatz, Düsseldorf, Karten gibt es hier.

theycallitkleinparis verlost 2 mal 2 Tickets unter allen, die bis zum 10.9. eine Mail mit dem Betreff „Jojo Mayer“ an salut@theycallitkleinparis.de senden.

 

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