BAR im Interview – „Wodka ist nach wie vor ein Kommunikationsmittel“

Die hierzulande herrschenden Temperaturen dürften Christina Irrgang und Lucas Croon aka BAR als nahezu sommerlich empfinden. Die beiden kommen gerade aus Russland zurück. Dort haben sie auf Einladung des Goethe Instituts Moskau drei Konzerte gegeben. theycallitkleinparis hat mit ihnen über ihre Erlebnisse im tiefen Osten gesprochen.

Ihr seid vor ein paar Tagen aus Russland zurückgekommen. Wie war‘s?

Es war großartig! Wir haben in den Städten Jekaterinburg, Kasan und Nischni Nowgorod Konzerte gespielt. Anschließend haben wir noch zwei Tage in Moskau verbracht, die Stadt angesehen und Kontakte in der Musikszene gestärkt.

Wart ihr nur zu zweit unterwegs? Oder gehörten noch andere Leute zu eurer Reisegruppe?

Wir sind zu zweit gereist, allerdings haben uns in jeder Stadt die jeweiligen Kooperationspartner des Goethe Instituts Moskau empfangen. Das war in Jekaterinburg die wunderbare Irina Schtscherbakowa, in Kasan Robert Khasanov und Ksenia Isaeva vom Center of Modern Culture Smena, in Nischni Nowgorod der großartige Pawel Miloslawskij, und in Moskau hat uns schließlich Anna Tenjotkina empfangen, mit der wir hinsichtlich der gesamten Tour in Korrespondenz standen. Ein sehr schöner Zufall war, dass der Düsseldorfer Künstler Christoph Westermeier mit einem Arbeitsstipendium des Kulturamtes der Stadt Düsseldorf zeitgleich zwei Monate in Moskau im Multimedia Art Museum verbrachte. Er kam anlässlich unseres Konzertes nach Jekaterinburg und hielt dort auch im Fotografie-Museum einen Vortrag – so erkundeten wir gemeinsam mit Einheimischen und ihm sowohl diese Stadt, als auch Moskau. In allen Städten wurden wir äußerst herzlich empfangen und haben viele neue Freundschaften geschlossen, insbesondere in Kasan. Das Kulturzentrum Smena leistet nicht nur großartige Arbeit, sondern bringt auch viele interessante Menschen zusammen. Wir wollen unbedingt wieder dort hin!

Wart ihr vorher schon mal in Russland?

Lucas: Nein nie, es war das erste Mal, aber bestimmt nicht das letzte. Auch in Moskau haben wir tolle Menschen in der Musik-Szene kennengelernt. Die beiden Abende haben wir in der Café-Bar „Enthusiast“ (Enthusiast Records) verbracht. An einem Abend habe ich zusammen mit Tagir Vagapov Musik aufgelegt. Tagir hatte am Abend zuvor alle Platten zum Signieren dabei, an denen ich jemals mitgearbeitet habe. „Enthusiast“ bezieht sich übrigens auf Dziga Vertovs Film „Enthusiasm“ aus dem Jahr 1931, der ja auch sinnstiftend für die gleichnamige, von Stefan Schneider und Ludwig Haugk organisierte Reihe im Düsseldorfer Schauspielhaus war, im deren Rahmen Christina und ich uns 2013 kennengelernt hatten. Eine schöne Parallelität also.

Wie lief die Verständigung mit den Menschen vor Ort? Englisch ist ja, erzählte mir jüngst jemand, der beruflich in Moskau war, immer noch nicht wirklich gängig.

Da die Konzerte vom Goethe Institut organisiert wurden, waren natürlich auch einige Deutsch-Studenten unter den Fans. Englisch ist unserer Erfahrung nach durchaus eine gängige Sprache. Es kommt eben immer darauf an, wo man sich aufhält. Wenn das Umfeld aufgeschlossen ist, findet Verständigung automatisch ihren Weg. Ein wenig Russisch haben wir so vor Ort gelernt.

Wie waren die Temperaturen?

Es herrschte eine erfrischende Kälte. Nach zwei Stunden fantastischer Stadtführung in Jekaterinburg mit Swetlana Wasiltschenko waren aber die Füße im Schneegestöber trotz Wärmesohlen ziemlich kühl geworden.

Wie muss man sich die Veranstaltungsorte, an denen ihr aufgetreten seid, vorstellen?

Christina: Der Club Dom Pechati in Jekaterinburg ist in einer alten Druckerei untergebracht, hat also industriellen Charme und eine wirklich gute Anlage. Smena ist ein wachsendes Kulturzentrum, in dem Ausstellungen, Konzerte und Lesungen stattfinden, demnächst sogar mit Boris Groys, bei dem ich in Karlsruhe studiert habe. Robert und Ksenia haben ein großes Team um sich herum und leisten fantastische Arbeit. Die ehemaligen Pferdeställe sind in kontinuierlichem Umbau, demnächst werden dort auch ein Café, weitere Veranstaltungsräume und Apartments für Künstlerresidenzen entstehen. Smena bedeutet übrigens ‚Wechsel‘ … genau so kann man diese Aufbruchsstimmung begreifen. Unser Konzert fand so auch in einem gerade erst fertig gestellten, neuen Raum statt. Das Art-Café B/U in Nischni Nowgorod ist ein neuer Club, er wurde vor zwei Jahren eröffnet und erstreckt sich über zwei offene, miteinander verbundene Ebenen. Ein toller Ort und der Hot Spot der Stadt.

Wie viele Leute sind zu euren Konzerten gekommen?

Schwer zu sagen, aber genug für eine ausgelassene Stimmung sowie anschließende Foto- und Autogramm-Sessions.

Wie war der Kontakt mit den Einheimischen?

Wie gesagt – wir haben viele neue Freunde gewonnen und interessante Menschen und ihre Arbeit kennengelernt! Überwältigend war das Shooting mit der Fotografin Inna Perevozchikova und den Stylisten Ruslan Chizhov und Sasha Nikitin in Kasan. Sie haben sich einen halben Tag Zeit genommen, um uns verschiedene Orte in Kasan zu zeigen, die dann auch als Setting für das Fotoshooting dienten, so das wunderbare Museum und ehemalige Wohnhaus des Chemikers Arbuzov.

Christina, deine Leuchtstab-Performance erinnert ein wenig an Funkemariechen. Hast du womöglich diesbezüglich in deiner Vergangenheit Erfahrungen gesammelt?

Christina: Ich habe das Drehen des Majorette-Stabes im Alter von drei Jahren gelernt, und während meiner Kindheit und Jugend viele Tanzvorführungen mit der Majorette-Gruppe in meinem Heimatort in Waldhessen gehabt. Hier wurde eine Partnerschaft zu einem kleinen Ort in Frankreich gepflegt, von dort kam die Technik. Der Leuchtstab war früher immer der Hit in unserer Tanzgruppe, er wurde aber nur zu besonderen Anlässen gebraucht und nur die Ältesten durften ihn benutzen. Dieses Jahr hat mir Lucas einen eigenen zum Geburtstag geschenkt.

Auf den Fotos aus Russland, die in Kasan entstanden sind, trägst du eine russisch anmutende Pelz-Kappe. Hast du die vor Ort erworben?

Christina: Die Pelzmütze habe ich von Lucas’ Großmutter geschenkt bekommen, die sie ihrerseits geerbt hat. Lucas war mit dem Mantel und Hut seines Großvaters in Russland. Die Kleidung war genau die richtige Wahl.

Es ist doch hoffentlich kein Echt-Pelz, oder?

Christina: Ich würde nie Kunstpelz tragen. Pelz auf der Düsseldorfer Königsallee bei sommerlichen Temperaturen im Winter zeigt Attitüde, aber im Ural bei eisigem Wind sieht das nochmal ganz anders aus. Kälte und Wärme haben dort eine viel ursprünglichere Dimension.

Lucas, stimmt das Russland-Klischee in Sachen Wodka eigentlich? Oder gab es auch Spumante?

Lucas: Sagen wir so: Wodka ist nach wie vor ein Kommunikationsmittel, aber nicht das einzige. Spumante gab es weniger, dafür haben wir vor unserer Abreise eine Flasche schwarzen Wodka geschenkt bekommen.

Habt ihr Souvenirs mitgebracht?

Neben dem Wodka haben wir von unseren Gastgebern eine traditionelle Matroschka („für viele Kinder“), ein Glücksstein aus Sotschi sowie verschiedene Anstecker, darunter den jungen Lenin, bekommen. Selbst ausgesucht haben wir Merch-Artikel von Vladimir Putin, so zum Beispiel Magneten mit Porträt-Ansichten im Vexier-Look, Putin auf einem Bären reitend oder mit einem Leoparden auf dem Schoß und dem Spruch „The kindest President“. Diese Bildrhetorik eröffnet eigentlich direkt die nächste Diskussion…

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