Vier Mal im Jahr präsentiert Dorian Steinhoff im Rahmen seiner Literaturshow „Books & Friends“ das Aufwühlendste und Schönste aus der jungen Bücherwelt zwischen Syltsand und Almwiese. Für den kommenden Dienstag hat er sich einen schlichtweg zauberhaften Gast eingeladen. Axel Ranisch. Der 34-jährige Berliner ist Regisseur, Schauspieler und Produzent. Er hat Opern inszeniert – und jetzt auch noch ein Buch geschrieben. „Nackt über Berlin“ heißt es und wurde mit dem Debütpreis der Lit.Cologne ausgezeichnet. theycallitkleinparis hat mit dem vermeintlichen Alleskönner Axel Ranisch gesprochen.
Herr Ranisch, wenn man sich Ihre künstlerische Biografie so anschaut, könnte man den Eindruck bekommen, als gelänge Ihnen einfach alles, was Sie anfassen. Wann haben Sie das letzte Mal ein Projekt so richtig in den Sand gesetzt?
Ich bin nicht unbedingt der Meinung, dass mir immer alles gelingt. Manchmal bin ich zufrieden mit meiner Arbeit, aber das Publikum nicht und manchmal ist es umgekehrt. Wichtig ist nur, dass ich jeden Film, jede Inszenierung, jedes Projekt mit Herz und Leidenschaft angehe. Es muss auch nicht immer alles gelingen. In unserem „Sehr gute Filme-Manifest“ von 2011 haben wir uns schon dafür ausgesprochen, dass ein Film auch mal in die Hose gehen darf. Wenn ich mich in vorauseilendem Gehorsam beschneide, nur um nicht anzuecken, verrate ich meine künstlerische Integrität und verliere die Glaubwürdigkeit. Das fände ich schlimm. Woran ich allerdings ständig scheitere sind meine Diätversuche. Das wurmt mich wirklich.
Auf die Titelseite der BILD haben Sie es auch schon geschafft. Das war 2017 mit Ihrem ersten Tatort. „Schlechtester Tatort aller Zeiten“ lautete die Schlagzeile. Wie sehr trifft Sie derartige Kritik?
Schon sehr. Ich will ja auch nur geliebt werden und provoziere nicht mit Absicht, oder um jemandem zu ärgern. Tatsächlich halte ich meinen ersten Tatort „Babbeldasch“ noch immer für eine sehr gelungene Arbeit, auf die ich enorm stolz bin. Ein Großteil meines Publikums hat das aber anders gesehen. Das ist nun mal so. Dafür hat sich eine Woche lang ganz Deutschland mit dem Film beschäftigt und sich daran gerieben. Was will man als Künstler eigentlich mehr?
Kommen wir zu Ihrem Buch. Welche Geschichte erzählt „Nackt über Berlin“?
In einem Satz: Zwei Außenseiter-Teenies entführen ihren Schuldirektor und sperren ihn in seiner eigenen Wohnung ein, worauf aus einem Spaß bitterer Ernst wird. Es geht aber um viel mehr als nur das. Es geht um Verantwortung und Schuld, es geht um Macht und Machtmissbrauch, aber auch um die erste Liebe, um Familienzusammenhalt und die Schwierigkeiten erwachsen zu werden.
Wie schon in Ihren Filmen „Ich fühl mich Disco“ oder „Alki Alki“ stehen auch in dem Buch zwei Außenseiter im Mittelpunkt: Jannik und Tai, genannt Fetti und Fidschi. Und wie bei den Filmen hat man auch hier den Eindruck, dass das Ganze durchaus Parallelen zu Ihrem Leben aufweist. Wie viel Axel Ranisch steckt in Jannik?
Jannik ist Klassik-Nerd, er ist schwul, unsportlich und übergewichtig. Das alles hab ich mit ihm gemein. Was die Geschichte angeht, ist allerdings alles Fiktion.
Und warum zeigt das Buchcover ein dreifaches Spiegelei?
Das müssen Sie meine Lektorin fragen… Vielleicht geht es um die Verletzlichkeit der Eidotter. Vielleicht sind sie Sinnbild für den Direktor Jens Lamprecht, der in seinem Hochhaus über Berlin einen Seelenstriptease hinlegt und von seinen Entführern gegrillt wird. Trotz allem haben die Eier etwas lustvoll Heiteres, wie auch der Text selbst.
Im Gegensatz zum Filme machen, ist das Schreiben eines Buchs ja eine sehr einsame Arbeit. Wie schwierig war das für Sie?
Anfangs war es eine große Herausforderung. Man sitzt über einem leeren Blatt, mit dem Anspruch Literatur zu schaffen. Dann wringt man sich unter größter Anstrengung einen Gedanken und zwei Dutzend schöne Worte aus den Synapsen und stellt enttäuscht fest, dass man statt Literatur doch nur einen Satz geschrieben hat. Irgendwann emanzipiert man sich aber vom eigenen Anspruch und kommt in den Schreibfluss und dann empfindet man nur noch Glück. Auch die Einsamkeit, unter der ich ich schnell leide, spielt keine Rolle mehr, wenn die Figuren mich unentwegt umgeben und begleiten. Einen Film muss man teuer produzieren, besetzen, drehen, schneiden, endfertigen, man muss überzeugen, diskutieren und 1000 Kompromisse eingehen. Einen Text schreibt man einfach hin. Eine Lektorin – meine war eine wunderbare Pingpong-Spielerin, die Bälle flogen nur so hin und her – und das wars. Für mich als Filmemacher war diese unkomplizierte, direkte und kompromisslose Arbeit ein Wunder und Geschenk.
Ihr Debütroman schreit geradezu danach, verfilmt zu werden. Werden Sie das tun?
Was soll ich machen? Es ist meine Natur.
24.4., 20 Uhr, Hotel Friends, Düsseldorf