Carsten Johannisbauer alias Jonny Bauer ist ziemlich produktiv. Im vergangenen Jahr sind von ihm gleich zwei Bücher erschienen: das Kinderbuch „Ein Affe an der Angel“ und – gemeinsam mit Jenz Bumper als Co-Autor – der Roman „Shanghai Schaschlik“. Im Februar steht nun ein neues Album der nach eigenen Angaben letzten Punkband OIRO ins Haus, deren Texter und Sänger Bauer seit 19 Jahren ist. „Mahnstufe X“ lautet der Titel. Grund genug für theycallitkleinparis, den Flingeraner mit ein paar Fragen zu löchern.
Carsten, hast du ein Stammgericht im Chinarestaurant? Oder bevorzugst du gar das All-you-can-eat-Mittagsbuffet?
Bitte nenn mich Jonny Bauer und weder nur mit Vor- noch nur mit Zunamen, einfach wie eine Insel: Jonny Bauer. Zur Frage: Ich würde die „Acht Kostbarkeiten“ aus der Rubrik „Spezialitäten“ bestellen, da ich aber Vegetarier bin, ist für mich das Angebot an Speisen im chinesischen Imbiss begrenzt. Die Dosenfrüchte in süßer geleeartiger Masse mag ich gerne. Eine gebackene Banane rettet außerdem jedes Essen.
Jonny Bauer, dein jüngster Roman heißt „Shanghai Schaschlik“ und ist im Dezember 2019 erschienen. Es geht um Chinarestaurants außerhalb Chinas. Wofür steht das Chinarestaurant?
In meinem aktuellen Roman geht es nicht um die gehobene chinesische Küche, sondern um China-Imbisse, die den großen Boom in Deutschland Ende der 1970er Jahre erlebten. Es geht um Gerichte, die es in China gar nicht gibt, wie die „Acht Kostbarkeiten“, das „Partnergeflügel“ oder die „Ente auf dem Scheiterhaufen“. Süße und glänzende Speisen, die den Vorlieben des jeweiligen Landes angepasst wurden. So gibt es beim österreichischen Chinesen viel Rind, da es als feiner gilt, was in China nicht der Fall ist. Auch wird in China Fleisch nicht vom Knochen gelöst, in Deutschland aber gerne. Die China-Restaurants, die in meiner Erzählung auftauchen, entstammen der angesprochenen Epoche. Das Chinarestaurant stand zu dieser Zeit für Exotik. Es war ein sehr deutscher Exotik-Begriff.
Geschrieben hast du das Buch mit Jens Stuhldreier alias Jenz Bumper zusammen. Wie kam es zur Doppel-Autorenschaft?
Jenz war auf der Lesereise für meinen Roman „Scheiternhaufen“ dabei. Ich hatte keine Lust, alleine auf Tour zu gehen, und Jenz ist bekannt und beliebt für seine Entertainer-Qualitäten. Außerdem spielt er besser Gitarre als ich. Ich mag Lesungen von anderen Autoren nicht besonders und gehe lieber auf Punk-Konzerte. So sollten meine Lesungen sein: eine Mischung aus Show, Lesung, Konzert, natürlich mit viel Trash und Improvisation. Auf Tour hat Jenz dann eine Kurzgeschichte geschrieben und die fand ich super. Alleine der Titel: „Ringo ruft an“ – ganz wunderbar! Gemeinsam macht alles mehr Spaß und meist kommt auch Besseres dabei raus, also warum nicht einen Roman zu zweit schreiben?
Wie darf man sich den Schreibprozess mit zwei Autoren konkret vorstellen?
Jenz hat vier Kurzgeschichten geschrieben, die wir in meinen Text eingebaut haben. Dann haben wir an den richtigen Stellen noch zusätzliche Textpassagen von Jenz eingefügt, das Lektorat hat noch ordentlich was rausgeschmissen, wir haben nachgeliefert und, zackbumm, fertig. Das Ganze hat vom ersten Satz bis zur Veröffentlichung nur ein Jahr gedauert.
Erzählt wird die Geschichte von Jonny und Jenz, die in einem Volvo 340 zu einer Reise ins Ungewisse aufbrechen. Nun habt ihr, also du und Jenz, zu deinem ersten Roman „Scheiternhaufen“ ja 2017 und 2018 eine gemeinsame Lesereise unternommen. Daher muss ich natürlich den Klassiker unter den Literatur-Fragen stellen: Wie fiktiv ist eure Fiktion?
Das ist klassische Autofiktion. Mittlerweile weiß ich auch nicht mehr, was wirklich erlebt und was ausgedacht ist. In meinem Privatleben geht es mir ähnlich. Ich bin immer noch der Meinung, mit sieben Jahren in einer alten Badewanne mit Außenbordmotor die Düssel runter geschippert zu sein. Ich habe noch keine Zeugen gefunden und auch niemanden, der mir glaubt, aber ich bin sicher, dass ich das wirklich gemacht habe. Und das ist nur ein Beispiel von vielen.
Ihr habt bisher zwei Lesungen mit dem Buch gemacht. Eine in Jenz‘ Heimatstadt Solingen. Und eine hier in Düsseldorf. Wie kam „Shanghai Schaschlik“ an? Und sind weitere Lesungen in Planung?
Jetzt soll die Veröffentlichung erst mal wirken, das Buch sich verkaufen und im Frühjahr gehen wir auf Tour. Von Köln über München nach Hamburg. Wir haben Bock. Die beiden Release Shows waren ausverkauft und haben super funktioniert. Das Publikum und wir hatten ordentlich Spaß.
Das Hörbuch zu „Shanghai Schaschlik“ ist bei Grand Hotel van Cleef erschienen. Eingelesen hat es eine Dame mit einer wunderbaren Stimme. Wer ist sie?
Das ist Yvon Jansen vom Schauspiel Köln. Ihreszeichens auch Sängerin von „Yvon und der Kreis der Liebe“, einem Bandprojekt mit Erobique und Jacques Palminger aus Hamburg. Die haben auch den Hit „Wann strahlst du?“ zusammen gemacht, den man sich unbedingt anhören sollte. Palminger hat bei meinem letzten Hörbuch gelesen, so entstand der Kontakt zu Yvon. Ich habe eine Frauenstimme für das Hörbuch gesucht, als Bruch der Best-Buddy-Story. Yvon kannte ich schon von gemeinsamen Konzerten, sie passte als Person und auch als Stimme sehr gut zu Jenz und mir.
„Scheiternhaufen“ hast du 2018 noch selbst eingelesen. Wieso habt ihr euch in diesem Fall für Yvon Jansen entschieden?
Zum einen wegen des angesprochenen Bruchs. Ich wollte einfach, dass die beiden männlichen Hauptdarsteller von einer Frau gelesen werden. Warum darf man sich denken. Nach dem Schreiben, das ja durchaus anstrengend ist, hatte ich gar keine Lust auf ein Hörbuch. Yvon braucht für den Job auch halb solange wie ich. Jenz und ich saßen, während sie las, gemütlich in der Studioregie bei Tom Blankenberg und verspeisten vegetarische Frühlingsrollen.
Du hast jetzt innerhalb von drei Jahren drei Bücher veröffentlicht. Zwei Romane und ein Kinderbuch. Wie groß ist deine Arbeitswut?
Hätte ich mal früher angefangen, denke ich oft.
Du bist auf vielen Baustellen unterwegs. Woran arbeitest du momentan?
Ich sitze gerade an einem Roman und an einem Kinderbuch mit meinem Freund, dem Illustrator Lomp. Da Verlage langsamer sind als wir Autoren, kommen die neuen Sachen wohl erst 2021 raus. Außerdem ist gerade „Mahnstufe X“ erschienen, die neue LP der Band, in der ich spiele: OIRO. Es folgen Konzert- und Lesereisen, Freunde in anderen Städten treffen. Dafür steig ich gerne ein und fahr‘ los. Fast hätte ich ein Projekt vergessen! Ich habe die Steine und Schuttreste der des Kunstvereins Brause nach dem illegalen Abriss eingesammelt und baue die Räumlichkeiten mit der Hilfe von Ai Weiwei im K21 wieder auf. Zur Eröffnung spielen Kraftwerk, Grönemeyer und Abba. Der Eintritt wird leider sehr teuer. Tut mir leid. Dafür kann man sich günstig mit mir fotografieren lassen.
Deine Band OIRO hat auch einen Bezug zur Brause. Ihr habt euch 2001 vor der alten Tankstelle gegründet. Wie viele Platten sind seitdem erschienen?
4 LPs und über 10 Singles sind seitdem auf Vinyl erschienen.
In welcher Form ist das neue Album zu haben?
Das neue Album „Mahnstufe X“ erscheint ausschließlich auf Vinyl. Na gut, als Stream und Download ist es auch zu haben.
Wie entstehen die Songs bei euch?
Wir proben einmal pro Woche in Düsseldorf-Unterbilk. Die Songs entstehen gemeinsam. Die Texte schreibe ich, sie werden aber besprochen und angepasst. Na ja, manchmal.
Wer hat das Cover gestaltet?
Das Cover von „Mahnstufe X“ hat Heinz Hausmann nach einer Idee von uns gemalt. Ich bin ein großer Bewunderer seiner Arbeit. Er kommt aus dem WP8-Umfeld, war auf der Kunstakademie und ist ein alter Weggefährte unseres Gitarristen Jovan. Heinz und Oiro, das passt sehr gut. Unser Blickwinkel auf die Welt ist ein ähnlicher.
Das Album trägt den Titel „Mahnstufe X“. Ist das die höchste aller Mahnstufen?
Ja, Faktor X, unendlich!
Mit welchen Themen beschäftigt ihr euch auf der Platte?
Mit der Welt als Kaktus, mit menschenunwürdigen Praktiken bei der medizinisch-psychologischen Untersuchung, mit den Protesten am Hambacher Forst und dem Tod von Steffen Meyn (der junge Dokumentarfilmer, der während der Räumung des Hambacher Forsts tödlich verunglückte, Die Red.), mit den Gezi-Park-Protesten in Istanbul, um nur ein paar Themen zu nennen.
Die Binsenweisheit „Die meisten Unfälle passieren im Haushalt“ habt ihr umgetextet zu „Die meisten Unfälle passieren im Krieg“. Wie beurteilst du das derzeitige Klima in der Welt?
Punkrock ist eine Insel, auf die wir uns glücklicherweise zurückziehen können. Nicht dass uns das Draußen nicht interessiert! Aber es gibt Wege, die spannender sind. Do It Yourself. Sich mit Parteipolitik rum zu ärgern, ist zum Beispiel reine Zeitverschwendung.
Ein weiterer Song heißt „Die Kids vom Hellweg“. Worum geht es da?
Eine Zeile aus dem Song ist: „Die Menschen, die ich mag, gehen nicht in den Park.“ Das sagt doch alles! Oder auch nicht. Hören und herausfinden. Ich schreibe die Texte nicht, um sie später zu erklären.
„Shanghai Schaschlik“ ist bei Salon Alter Hammer erschienen. Das gleichnamige Hörbuch bei Grand Hotel van Cleef.
„Mahnstufe X“ ist bei Flight 13/Indigo erschienen.
15.2., 17:30 Uhr, Oiro Release Party, Hitsville Records, Düsseldorf
14.3. Oiro, AK47, Düsseldorf