Reiner Blankenheim im Interview – „Herr Parr ist ganz normal“

Im September vergangenen Jahres bekamen die Mitglieder des Kleingartenvereins „Am schwarzen Weg“ in Düsseldorf-Vennhausen prominenten Besuch. Der britische Fotograf Martin Parr hatte sich angesagt, um Fotos von den Laubenpiepern zu machen. Auch Reiner Blankenheim ließ sich von Parr ablichten. Ab dem kommenden Freitag hängt der 50-Jährige, der 1. Vorsitzender des KGV „Am schwarzen Weg“ ist, nun im Museum. Dann nämlich startet im NRW-Forum die „Martin Parr Retrospektive“, in deren Rahmen unter anderem 80 Fotos von Kleingärtnern aus dem Raum Düsseldorf zu sehen sind, die eigens für die Schau entstanden. Kurz vor der Vernissage hat theycallitkleinparis mit Reiner Blankenheim gesprochen.

 

Herr Blankenheim, wie ist Martin Parr mit Ihnen in Kontakt getreten?
Das lief über den Kurator der Ausstellung. Der hat mich ungefähr ein halbes Jahr vor dem eigentlichen Foto-Termin, also im Frühjahr 2018, angerufen und gesagt, dass er dabei sei, eine Retrospektive von einem englischen Fotografen vorzubereiten. Martin Parr. Dafür suche er noch Kleingärtner, die sich fotografieren lassen würden. Ob ich mir das vorstellen könne. Ich hab dann gesagt: ‚Vorstellen können wir uns viel. Man kann es auf jeden Fall versuchen.‘

Und was haben Sie gedacht?
Im ersten Moment habe ich gedacht: Kleingärtner und ein Star-Fotograf – brisante Mischung. Wenn die aufeinandertreffen, könnte sich ein Atompilz bilden.

Interessieren Sie sich denn für Kunst?
Ja, ich gucke mir sehr gerne Bilder an, habe auch einige Drucke zuhause hängen. Van Gogh zum Beispiel. Oder Paul Klee. Das spricht mich schon an. Als hier in Düsseldorf vor einiger Zeit eine Klee-Ausstellung gezeigt wurde, wollte ich mir die eigentlich anschauen. Habe ich dann aber nicht geschafft. Meine freie Zeit ist ja sehr begrenzt, wegen des Gartens.

Hat Ihnen der Name Martin Parr etwas gesagt?
Nein, den kannte ich nicht.

Haben Sie ihn dann mal gegoogelt?
Nee, habe ich nicht. Ich habe das einfach auf mich zukommen lassen.

Sie haben dann im Auftrag des Kurators bei den anderen Kleingärtnern ausgelotet, wer bereit ist, sich fotografieren zu lassen. Wie waren die Reaktionen?
Erst mal ziemlich zurückhaltend. Die kannten Parr ja auch nicht und wussten dementsprechend nicht, was sie erwartet. ‚Wir überlegen uns das mal‘ hieß es. Irgendwann habe ich gesagt: ‚Jetzt kommt schon mal so ein englischer Star-Fotograf hierher und dann sagen wir alle ab, das ist doch auch blöd.‘ Letztendlich haben sich dann Leute gefunden. Aber großes Juchu gab es nicht.

Welche Vorgaben gab es für die „Models“?
Gar nicht viele. Wir sollten uns nicht schick machen für den Foto-Termin, sondern in den Garten kommen wie immer. Und wir sollten nicht lachen.

Parr war im September vergangenen Jahres bei Ihnen in der Kleingartenanlage. Wie aufwendig war das Shooting?
Insgesamt kamen vier Leute. Parr selber, der Kurator und zwei Assistentinnen, die die Taschen getragen haben, die Kameras gehalten, Objektive getauscht, so was. Wir sind dann alle zusammen durch die Anlage gegangen. Manche Kleingärtner hatten im Vorfeld schon zugesagt, sich fotografieren zu lassen. Andere haben wir spontan zu überzeugen versucht. So über die Hecke rüber. Aber es gab natürlich auch welche, die partout nicht mitmachen wollten.

Bei dem Begriff Star-Fotograf hat man ja ein bestimmtes Bild im Kopf. Hat Parr dem in Ihren Augen entsprochen?
Gar nicht. Herr Parr ist einfach ganz normal, wie Sie und ich. Nett und freundlich. Er ist ein sehr offener Mensch, hat sich für jeden einzelnen Zeit genommen, die Leute viel gefragt und seinem Gegenüber dadurch die Angst genommen. Es waren sehr herzliche Begegnungen. In jedem Garten, in dem er fotografiert hat, wurde ihm und seinem Team etwas angeboten. Mal ein Kaffee. Beim Libanesen ein Tee. Und natürlich musste er auch jede Menge Obst und Gemüse probieren. Ich glaube, der konnte hinterher kein Gemüse mehr sehen.

Wie schnell hat Parr seine Motive und Locations gefunden?
Er und sein Team waren einen halben Tag in der Anlage. Wir sind mit ihm über das ganze Gelände gegangen. Das sind mit Begleit-Grün 13 Hektar. Ganz schön groß also. Parr hat zum Beispiel eine vierköpfige Familie fotografiert. Die Mutter ist Russin, sie hatte vor einiger Zeit einen Schlaganfall und sitzt seitdem im Rollstuhl. Oder einen 17-jährigen Jungen, der seinen Garten ganz alleine pflegt. Der liegt gerne mal in der Hängematte und hört Musik. Oder ein ostdeutsches Paar mit seinem kleinen Hund. Während er die Fotos gemacht hat, hat er viel mit den Leuten gesprochen. Und viel gelacht. Wahrscheinlich um die Leute vor der Kamera locker zu kriegen. Und er hat nicht nur Menschen fotografiert, sondern auch Details. Bei einem Kollegen aus dem Vorstand, der an dem Tag nicht im Garten war, sah er zum Beispiel Äpfel auf dem Rasen liegen. Die wollte er gerne fotografieren. Ich habe grünes Licht gegeben. Parr ist dann über das Törchen gekraxelt, hat sich auf die Wiese gelegt und aus der Perspektive die Äpfel fotografiert.

Sie selber haben sich auch fotografieren lassen, zusammen mit Ihrer Partnerin. Wie haben Sie das erlebt?
Parr war sehr konzentriert. Bei mir im Garten wusste er sofort genau, wo er meine Lebensgefährtin und mich fotografieren wollte. Das waren insgesamt drei Stellen. Vor dem Dahlien-Feld. Auf der Bank von dem Häuschen mit dem Welcome-Schild im Hintergrund. Und im Gewächshaus. Zu der Zeit waren die Gurken schon ein bisschen überreif. Meine Lebensgefährtin sollte sich, so sein Wunsch, eine Gurke über die Schulter hängen. Wir hatten uns im Arm, sie die Gurke auf der Schulter und dann hat er die Fotos gemacht. Für meine Dahlien hat er sich auch interessiert. Er wollte wissen, ob ich damit auf Dahlien-Schauen gehen würde. Das ist wohl in England ganz groß. Insgesamt war er ungefähr 20 Minuten bei mir im Garten. Das eigentliche Fotografieren ging aber viel schneller, vielleicht 10 Minuten hat das gedauert. Mehr als fünf, sechs Bilder dürften nicht entstanden sein.

Am 19. Juli startet nun im NRW-Forum die große Parr-Retrospektive, in deren Rahmen auch ihr Foto zu sehen sein wird. Jeder Kleingärtner bekommt einen Abzug von seinem Bild sowie einen Katalog als Dankeschön. Und zur VIP-Eröffnung sind Sie auch geladen. Wie sehen Sie all dem entgegen?
Gelassen. Meine Lebensgefährtin ist viel gespannter als ich. Die sagt immer: ‚Oh Gott, warum habe ich das bloß gemacht? Ich wollte das doch gar nicht.‘ Aber da muss sie jetzt durch.

19.7. bis 10.11. Martin Parr Retrospektive, NRW-Forum, Düsseldorf

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