Julian Meurer (Brause) im Interview – „Netflixen kann jeder“

Schon seit einiger Zeit war klar, dass die Tage der Brause auf dem Gelände der alten Tankstelle an der Bilker Allee gezählt sind. Im vergangenen Monat wurde das Ende konkret. Zum 31. Mai muss der Kunstverein, der Düsseldorf seit nunmehr 18 Jahren mit seinem alternativen Kulturangebot bereichert, seine Friedrichstädter Heimstatt räumen. Die Geschichte der Brause soll damit natürlich keinesfalls vorbei sein. Derzeit ist man auf der Suche nach neuen Räumlichkeiten. theycallitkleinparis hat mit Julian Meurer aus dem Vorstand des Kunstvereins gesprochen.

 

Zum 31. Mai muss die Brause die Räume der alten Tankstelle an der Bilker Allee verlassen. Wie überraschend hat euch diese Nachricht getroffen? Ursprünglich hieß es ja, ihr könntet bis 2020 bleiben.
Wir haben am 28. Februar die Kündigung zum 31. Mai dieses Jahres bekommen. Da wir eine dreimonatige Kündigungsfrist haben, war das natürlich fristgerecht, aber schon sehr kurzfristig.

Warum kam die Kündigung nun doch schon zu einem früheren Zeitpunkt?
Offenbar hat sich der neue Investor mit dem Pächter der Automobilfaktur (Autowerkstatt auf dem gleichen Gelände, Anm. d. Red.) über eine vorzeitige Auflösung des Pachtvertrages geeinigt. Da bei der Automobilfaktur eine wirtschaftliche Existenz an die Werkstatt gekoppelt ist, können und wollen wir da natürlich keinen Vorwurf machen. Immerhin hat die Automobilfaktur uns als Untermietern 18 Jahre lang ein Zuhause geboten. Aber ein bisschen traurig ist es schon, dass wir ausziehen müssen, kaum dass wir volljährig geworden sind.

Wem gehört eigentlich die alte Tankstelle?
Wir waren, soweit ich weiß, immer Untermieter der Automobilfaktur. Genauso wie das Kucheneck. Der Eigentümer der alten Tankstelle hat, soweit ich das sagen kann, über die Jahre mehrfach gewechselt. Die genauen Details kenne ich aber nicht.

Wie viele Mitglieder hat die Brause derzeit?
Wir haben etwa 120 Mitglieder. Davon sind 30 bis 40 regelmäßig aktiv an Veranstaltungen beteiligt.

Ihr schreibt bei Facebook, dass ihr auf der Suche nach neuen Räumlichkeiten seid. Wie schwierig gestaltet sich das Unterfangen?
Wir haben ja gerade erst angefangen zu suchen, weil wir gedacht haben, wir hätten noch über ein Jahr Zeit. Zum Glück haben wir aber aus der Situation des damenundherren gelernt und bereits kurz nachdem wir erfahren haben, dass wir in absehbarer Zukunft ausziehen müssen, begonnen, unsere Fühler auszustrecken. Wir haben einige Objekte im Auge, aber inwiefern eins davon realisierbar sein wird, wird sich erst in den nächsten Wochen zeigen.

Was ist mit euren Nachbarn, der Automobilfaktur und dem Kucheneck, haben die schon neue Quartiere?
Soweit ich informiert bin noch nicht.

Rumhängen mit Sinn. In diesem Fall vor der Brause. Foto: Markus Luigs

Die alte Tankstelle ist ein über die Maßen charmanter Ort. Wie sind eure Wünsche an die neuen Brause-Räumlichkeiten?
Wir hätten vor allem gerne eine große Freifläche oder Terrasse. Aufgrund der Größe der Brause hat sich in Bilk natürlich immer viel auf unserem Vorplatz abgespielt. Leider sind freie Plätze in Düsseldorf ein begehrtes Gut und kaum noch zu finden. Es wird ja gebaut, wo es nur geht. Mich wundert es manchmal, dass noch niemand auf die Idee gekommen ist, die Düsseldorfer Parks zuzubetonieren und da Luxusimmobilien drauf zu setzen. Oder den Kö-Graben zugunsten einer weiteren Häuserzeile. Da wären doch bestimmt Spitzenpreise zu erzielen. In Bilk oder Friedrichstadt etwas zu finden, wird jedenfalls vermutlich schwierig. Wenn wir keine Freifläche haben, müssen wir eventuell ein größeres Objekt ins Auge fassen. Da geht dann natürlich der Wohnzimmer-Charme verloren, den wir uns eigentlich gerne erhalten möchten.

Das damenundherren hat vor einiger Zeit ja die gleiche Erfahrung gemacht wie ihr jetzt, wenn auch aus anderen Gründen. Der Verein ist mit seinen Veranstaltungen seit dem Ende an der Oberbilker Allee in unterschiedliche Räumlichkeiten ausgewichen, ins FFT, zakk oder auch in die Blackbox. Wäre das für euch auch eine Möglichkeit?
Wir haben bereits Angebote vom WP8, dem Kulturbahnhof in Gerresheim und diversen anderen Lokalitäten bekommen, dort gelegentlich Veranstaltungen durchzuführen, bis wir was Neues gefunden haben. Aber für einen Kunstverein wie die Brause ist es schon wichtig, einen eigenen Veranstaltungsort zu haben. Für ein paar Finanzierungspartys kann man mal ausweichen, aber es geht ja darum unserem Publikum Kunst näher zu bringen. Auch im Rahmen unserer Veranstaltungen, die mit Kunst jetzt nicht direkt was zu tun haben. Deswegen hängen die meisten Ausstellungen ja auch mehrere Wochen lang an unseren Wänden, auch wenn zwischendurch Konzerte oder Lesungen stattfinden. Das ist ja gerade ein Teil des Konzepts, dass auch die Gäste anderer Veranstaltungen die Ausstellungen sehen.

Zufriedene Mienen danken es ihnen: Brause-Gäste. Foto: Markus Luigs

Erfahrt ihr bei der Suche nach neuen Räumen Unterstützung von Seiten der Stadt? Habt ihr den Eindruck, dass euer Einsatz über all die Jahre dort adäquat gewürdigt wird?
Wenn unser Einsatz adäquat gewürdigt worden wäre, dann säßen wir jetzt alle auf einer tropischen Insel und würden Cocktails schlürfen. Nein, das war natürlich Spaß! Einige Mitglieder haben schon viel Blut, Schweiß und Tränen in die Brause investiert. Aber das Lächeln unserer Gäste, die vielen positiven Reaktionen auf unser Angebot haben uns schon ganz gut dafür entschädigt und das wird auch in Zukunft Lohn genug für uns sein. Auch das Feedback auf unseren letzten Post zum Auszug hat uns fast aus den Socken gehauen. Das zeigt, dass wir unsere Vereinsarbeit ganz gut machen und viele Düsseldorfer die Brause und den Metzgerei Schnitzel Kunstverein mögen. Nicht zuletzt machen wir das Ganze natürlich für uns selber, weil auch wir das attraktive Freizeitangebot der Brause regelmäßig nutzen, wenn wir die Veranstaltung nicht selber betreuen.

Kunst, Konzerte und viel mehr. Foto: Markus Luigs

In eurem Facebook-Posting, das das Ende an der Bilker Allee ankündigt, heißt es „Kleinkulturstätten müssen geschützt werden. Sie sind Oasen der Entspannung in einer vitalen Großstadt, Quellen der Kreativität und der Nährboden für die große Kunst und Kultur“. Was kann man konkret tun, um Orte wie die Brause, das damenundherren oder die Kiefernstraße zu schützen?
Das ist eine gute Frage. Am einfachsten wäre es vermutlich, wenn Kunst- und Kulturvereine wie die Brause, das damenundherren, das Solaris, das WP8 und so weiter ihre Vereinsheime einfach kaufen könnten. Aber mit den Umsätzen, die wir erwirtschaften, ist das völlig unrealistisch. Eventuell könnte die Stadt Düsseldorf das tun, aber wir möchten ja gerne unabhängig sein, deshalb hätten da viele vermutlich gar keine Lust drauf. Von daher sollte die Stadt Düsseldorf vielleicht mal prüfen, ob sie neue Bauträger verpflichtet, auch für Raum für Kunst und Kultur zu sorgen. Dann hätten wir vermutlich weniger Probleme mit dem Lärmschutz, denn dieser könnte in der Planungsphase bereits berücksichtigt werden. Hierbei müsste natürlich darauf geachtet werden, dass die Räume zu realistischen Konditionen zur Verfügung gestellt werden.

Das Bedauern der Umstände hier in der Stadt ist ja das eine. Protest das andere. Habt ihr entsprechende Aktionen geplant, um auf das Thema aufmerksam zu machen?
Es gibt ja bereits jede Menge Aktionen, die das Problem ansprechen und wir haben uns da in der Vergangenheit auch immer rege beteiligt. Jetzt hat für uns erst mal die Raumsuche Priorität. Aber wir werden das Thema bestimmt bei Gelegenheit noch einmal erörtern, zum Beispiel beim Rat der Künste, und uns auch in Zukunft weiter an Aktionen und Demonstrationen für bezahlbaren Wohnraum, ein lebens- und liebenswürdiges Düsseldorf und ein ausgewogenes Kunst- und Kulturangebot zu bezahlbaren Preisen stark machen. Es will ja niemand von uns in einer Stadt leben, in der man solche tollen Orte wie die Brause mit ihrem ausgewogenen alternativen Freizeitangebot nicht mehr findet. Netflixen kann ja jeder.

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