Blond im Interview – „Die Probleme der Gentrifizierung sind in Chemnitz unbekannt“

Blond ist der verbeulte Kaugummiautomat, die misshandelte Barbiepuppe und das Aufstoßen nach dem Genuss eines grellfarbenen Energydrings. Blond nennt sich ein junges Trio aus Chemnitz, das eine variationsreiche Mischung aus Indie, Pop und Las-Vegas-Glamour fabriziert. Am 26. Oktober gastieren die Drei erstmals in Düsseldorf. theycallitkleinparis hat mit Nina Kummer von Blond gesprochen.

 

Ihr seid aus Chemnitz. Wir kommen also gar nicht drum herum, zunächst mal über Politik zu sprechen. Wie habt ihr die rechtsradikalen Ausschreitungen vor einigen Wochen in eurer Stadt erlebt?
Wir sind fleißige Demo-Gänger und waren deshalb auch zugegen, als ein Mob von Hitlergruß zeigenden und verfassungsfeindliche Parolen rufenden Nazi-Hooligans durch die Straßen lief. Die Polizei kommunizierte, dass sie unsere Demonstration nicht schützen könne. So etwas haben wir noch nicht erlebt, das war echt gruselig.

Viele Politiker waren überrascht, wie gut vernetzt die Szene ist und wie schnell die einzelnen Gruppen mobilisiert werden konnten. Ihr auch?
In Chemnitz gab es schon immer rechte Gruppierungen, zum Beispiel Honara oder das rechte Plenum, das vor einiger Zeit geoutet wurde. Die sind dann untergetaucht und haben ihre Facebookseite gelöscht. Diese Leute sind aber nicht wirklich weg, nur eben nicht sichtbar. Dadurch, dass an dem einen Abend Ausländer durch die Stadt gejagt werden konnten, weil die Ordnungsmacht nicht präsent war, schnuppert die rechte Szene jetzt Morgenluft und kommt wieder an die Oberfläche.

Engagiert ihr euch generell politisch?
Wir sind keine besonders politische Band, aber privat sind wir schon politisch.

Von Chemnitz wurde in den Wochen nach den Ausschreitungen ein ziemlich tristes und einseitiges Bild gezeichnet. Was macht die Stadt für euch lebenswert? Welche Angebote hat man in puncto Ausgehen, Subkultur und Clubs?
Chemnitz steckt voller interessanter, kulturinteressierter und kulturschaffender Menschen, die innovative Dinge auf die Beine stellen. Es gibt coole Clubs: Atomino zum Beispiel, AJZ, Weltecho oder Nikola Tesla. Aber auch Bands wie Playfellow, Suralin, Iguana, Restlessboys, Onkel Looping oder den Produzenten Tikay One.

Düsseldorf verbindet man musikalisch mit Punk und elektronischer Musik, allen voran mit Kraftwerk. Wie klingt Chemnitz?
Chemnitz klingt immer ein bisschen wie Crossover im Proberaum.

Nie mal dran gedacht, nach Berlin zu gehen? Oder nach Leipzig?
Eigentlich nicht. Wir leben im digitalen Zeitalter, da kann man alles auch über das Internet machen. Und wir mögen Chemnitz, hier leben unsere Freunde und Familien und die Verkehrslage ist günstig. Die Probleme der Gentrifizierung sind in Chemnitz unbekannt.

Ihr stammt aus einer musikalischen Familie. Habt ihr zuhause Musik gemacht?
Unsere Band entstand dadurch, dass wir im Kinderzimmer Band gespielt haben. Daraus wurde bald ernst und das Kinderzimmer ist bis heute unser Proberaum. Wir machen zuhause also ständig Musik.

Welches war das erste Instrument, das ihr gelernt habt? Ich vermute mal, ihr seid um die Blockflöte herumgekommen?
Johann hat zuerst Klavier gelernt, dann Bass und dann alle restlichen Instrumente die es weltweit gibt. Lotta hat Schlagzeug gelernt und ich Gitarre. Die Blockflöte hat sich Lotta erst später im Erwachsenenalter beigebracht. Dieses Instrument ist die Göttin unter den Instrumenten.

Wann und wie ging es dann mit Blond los?
2012 im Jugendhaus Kristall in Limbach-Oberfrohna.

Wie würdet ihr euren Sound beschreiben?
Wir machen Las-Vegas-Glamour.

Ihr habt in 2018 einige Support-Gigs für Kraftklub gespielt, u. a. im August am Elbufer Dresden vor 12.000 Zuschauern. Wie groß war da vorher die Nervosität?
Wir waren sehr nervös. Man gewöhnt sich aber nach ein paar Sekunden an das Meer von Menschen und nimmt es dann gar nicht mehr als solches war.

Und wie ist es, danach wieder kleine Clubs zu spielen?
Live spielen mögen wir immer, egal vor wie vielen Leuten. Im Club ist es ein bisschen intimer und schwitziger, das hat einen großen Reiz.

Mir hat die Choreografie für euer Video „Book“ richtig gut gefallen. Wie lange habt ihr die einstudiert? Und wo wurde das Video aufgenommen?
Wir haben monatelang geübt. Aufgenommen haben wir das Ganze im Rosarium im Chemnitzer Stadtpark.

Generell legt ihr ja großen Wert auf Optik. Stichwort Videos. Stichwort Artwork. Stichwort Bühnengarderobe. Muss man da nicht aufpassen, dass die Musik nicht zu sehr ins Hintertreffen gerät, gerade wenn man wie ihr erst zwei EPs draußen hat?
Nein, das gehört alles zusammen. Wir sind ein multimediales Projekt.

Eure aktuelle EP „Trendy“ ist 2017 erschienen. Darauf zeigt ihr euch nicht als Trio, sondern als Quartett. Ist der Hund das vierte offizielle Bandmitglied?
Labrador Rex ist immer mit auf Tour. Er ist Wachhund und Spielkamerad.

Mal abgesehen von der Musik: Was steht dieses Jahr privat bei euch noch an, worauf ihr euch besonders freut?
Auf Lottas Geburtstag am 17. Oktober.

Noch mal zurück zu Chemnitz. Angenommen, ihr müsstet einem auswärtigen Besucher fünf Orte empfehlen, die er sich unbedingt anschauen soll. Welche wären das?
Die Parkeisenbahn, das Kosmonauten-Zentrum, das Wildgatter in Rabenstein, die Felsendome und den Karl-Marx-Kopf.

26.10., 21 Uhr, FFT Kammerspiele, Düsseldorf

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