Miaki Komuro im Porträt. Einfach schwarz-weiß

Miaki Komuro ist eine dieser Frauen, neben denen man sich leicht schlecht fühlen kann. Perfekt geschminkt. Akkurate Ponyfrisur. Toller Look von Kopf bis Fuß. Man wünschte fast, sie wäre zu alledem nicht auch noch sympathisch, nachdenklich und klug. Ist sie aber.

Foto: Antonio di Marco

Komuro begrüßt dort, wo sie an zwei bis drei Tagen in der Woche arbeitet. Bei ELA selected auf dem Liesegang-Gelände. Elektronische Musik pluckert, Ela und ihr Göttergatte Anti lassen sich kurz blicken. Anti kürzer. ELA länger. „Möchtest du was trinken?“ fragt Komuro. Und kommt kurz darauf mit einer Karaffe Wasser mit Minzblättern zurück. Innerhalb des vergangenen Jahres hat die 34-Jährige viel erreicht. Sie hat ihre ersten beiden Kollektionen entworfen. Sie hatte eine Präsentation bei ELA selected und ihre erste Show auf der Platform Fashion. Ihre aktuelle Kollektion hängt bei ELA selected neben großen Namen wie Hendrik Vibskov, Maison Margiela oder Esther Perbrandt. Komuro strahlt und übt sich in Understatement: „Ich hatte wirklich ganz viel Glück.“ Das ist nur ein Teil der Wahrheit. Natürlich spielen auch Fleiß, Ehrgeiz, Kritikfähigkeit und Kreativität eine Rolle.

Miaki Komuro wurde in Japan geboren. Tokio. Ein Interesse an Kleidung und Mode ließ sie bereits früh erkennen. Schon als kleines Kind hatte sie eine genaue Vorstellung davon, was sie tragen wollte. Das konnten auch schon mal kurze Ärmel sein, mitten im Winter. „Ich selber kann mich daran gar nicht erinnern“, lacht sie. „Aber meine Mutter hat es mir so erzählt.“ Nach der Schule studierte sie an der Buka Gakuen Universität in Tokio. Modedesign und Bekleidungstechnik. Nach ihrer Fashion-Ikone gefragt, muss sie kurz überlegen. Nein, da gebe es niemanden. Aber sie bewundere beispielsweise die Radikalität ihrer Landsfrau Rei Kawakubo (Comme des Garçons), die in den Achtziger Jahren Models mit Kleidern auf den Laufsteg schickte, die mit Löchern übersät waren. „Das war sehr mutig“, findet Komuro. „Echte Avantgarde.“

Die Bluse, die auch ein Rock sein kann, Foto: Antonio di Marco

Die Designerin selbst hat im Laufe ihres Lebens oft ihren Kleidungsstil verändert und wird das wohl auch in Zukunft weiterhin tun. Ihre aktuelle Kollektion für Frühjahr und Sommer kennt nur zwei Farben: schwarz und weiß. Jede Kollektion verfolge ein Thema, erzählt Komuro. Die erste überhaupt, die im vergangenen November vorgestellt wurde, hieß „Black Evolution“. Die aktuelle ist mit „Switch“ überschrieben. Die Designerin führt in jene Ecke des großzügigen Ladenlokals, in dem die gerade einmal 14 Teile, die derzeit unter ihrem Namen zu haben sind, hängen. Sie nimmt ein schwarzes Kleid von der Stange, das aus drei Shirts entstanden ist. Durch unterschiedliche Bindungen wird es vom langen zum kurzen Kleid oder gar zur Tunika. Die schwarz-weiß gestreifte Bluse kann auch als Rock getragen werden. Sie wird dann mit den Ärmeln gebunden. „Man kann die Sachen je nach persönlicher Stimmung verändern“, sagt Komuro und zeigt einen Folder, der das Prinzip anhand unterschiedlicher Fotos erklärt. „Make a switch with your free mind“ steht da. Oder „Decide with your own character, how you want to wear it“. Der Träger ist bei Miaki Komuro kein rein passiver Konsument. Er bringt sich vielmehr ein in den kreativen Prozess und entwickelt auf diese Art, so der Wunsch, auch ein anderes Verhältnis zu den Kleidungstücken. „Vielleicht wirft er sie dann nicht so schnell weg“, hofft Komuro.

Foto: Antonio di Marco

Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit sind Miaki Komuro wichtig. Bei H&M, Zara und Co. kauft sie konsequenterweise nicht ein. „Ich kenne die Produktionsbedingungen“, sagt sie. Mehr nicht. Japanische Höflichkeit. Bei ihrer eigenen Kollektion versucht sie, auf Baumwolle zu verzichten, weil in der Produktion Pestizide und Insektizide eingesetzt werden, die in der Folge die Böden verseuchen und für Baumwollproduktion zudem enorm viel Wasser benötigt wird. In Komuros Kollektionen spielen Leinen, aber auch Kunstfasern wie Viskose oder Polyester die Hauptrollen. Die Preisspanne reicht von einer schwarz-weißen Muster-Leggins für 69 Euro bis hin zu einem Leinen-Oberteil für 289 Euro. „Ich wollte die Sachen nicht zu teuer machen, ich stehe ja noch ganz am Anfang“, sagt sie bescheiden. Sie selber trage immer mindestens ein eigenes Teil und mische ihre Entwürfe mit den Teilen anderer Designer: „So komme ich auf neue Ideen.“

Vor vier Jahren erst ist Komuro nach Deutschland gekommen. Sie traf einen Deutschen, verliebte sich und verließ die Heimat-Insel. „Ich wollte mein Leben verändern“, erklärt sie rückblickend. Einfach war das nicht. Komuro sprach fast kein Englisch, gar kein Deutsch und war noch auf der Suche nach einem Masterplan für ihr Leben. „Seit ich in Deutschland bin, beschäftigt mich die Frage ‚Wer bin ich?‘“, so die 34-Jährige. Die Kulturunterschiede zwischen Europa und ihrer Heimat Japan seien ein wichtiges Thema für sie. Ihre Überlegungen dazu fließen auch in ihre Kollektionen ein. Das Oberteil, das sie bei unserem Treffen trägt, hat beispielsweise weite Kimono-artige Ärmel, die durch ein, zwei Knoten eine komplett andere Form bekommen. Ein bisschen ist es, als wäre die Kleidung ein Spiegel der persönlichen Biografie der Designerin, die durch den Inselstaat Japan ebenso geprägt ist wie durch ihr neues Leben im Herzen des europäischen Kontinents.

Es gibt viele Leute, die ihr hier in Deutschland eine Chance gegeben haben, sagt Miaki Komuro. Zwei davon sind ihre Chefs, ihre Kollegen. „Ela und Anti haben mich sehr unterstützt, sie haben mir Mut gemacht. Und sie sind offen und ehrlich“, so die 34-Jährige. Wie ungewöhnlich das ist im Haifischbecken Modezirkus, weiß sie natürlich genau. Im Gegenzug schätzt Ela, wenn auch fast 40 Jahre im Geschäft, den Rat der Japanerin. Letztere sei für sie längst mehr als nur eine Mitarbeiterin, betont die Chefin: „Miaki ist für mich wie eine Tochter.“

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